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Schöne Wissenschaften - Sammeln, Ordnen und Präsentieren im josephinischen Wien
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Winckelmann im Sammlungsraum: Armut macht Geschichte 129 Argumentation, ist es in der Tat dem „direkten Zugang zu den größten Kunstsamm- lungen“ (wie zum Beispiel zu derjenigen des Kardinals Alessandro Albani)13 geschuldet, dass Winckelmann sein Modell einer Kunstgeschichte als Theorie der Entwicklung künstlerischer Form konzipieren konnte. Dem Sammlungsraum des Museums wird damit eine privilegierte und instrumentale Stellung in der Entwicklung der histori- schen Betrachtung der Kunst zugestanden. Nur hier sind die Bedingungen für eine  synoptische Perspektive auf die Kunst gegeben, welche den Ordnungsversuch Winckelmanns möglich machten. Ähn liche Auffassungen über das Entstehen morphologischer Theorien aus dem Geist der Sammlung wurden vielfach und mit guten Gründen vorgebracht. Ulrich Pfisterer hat etwa argumentiert, dass sich im 15. Jahrhundert frühe Formen der Ken- nerschaft in der Numismatik und Medaillenkunde entwickelten, weil diese kleinen und in verhältnismäßig großer Anzahl verfügbaren Objekte sich dafür eigneten, nebeneinander gehalten, verschoben und damit in entwicklungsgeschicht liche Sequen- zen gebracht zu werden.14 Ähn liche Argumente finden sich auch in Hinblick auf gänz- lich andere historische Perioden und Gegenstandsbereiche. So legt zum Beispiel Julia Voss dar, dass Darwins Evolutionstheorie entscheidend in den Sammlungspraktiken des 19. Jahrhunderts wurzelt: Erst die massenhafte Verfügbarkeit von Spezimen, wie Vogelbälgern in den naturhistorischen Sammlungen der Zeit, erlaubte die Nachverfol- gung einer kleinteiligen Ordnung in morphologischer Reihung.15 Ähn liches könnte man für die Naturhistoriker von Georges-Louis Leclerc de Buffon bis eben zu Robinet sagen; die Publikationen dieser Autoren sind ebenfalls geprägt von einer enormen Materialfülle, die oft in dichtgedrängter Synopse illustriert werden.16 Doch auch jen- seits sammlungsgeschicht licher Erwägungen wird die massenhafte Verfügbarkeit von Daten meistens als Voraussetzung einer Darstellung morphologischer Sequenzen gesehen. Prominent zu nennen ist hier die Linguistik, in der sich morphologische Ana- lysen oft bevorzugt auf eine Analyse „einfacher Formen“ stützen.17 Sammlung und Komplexität Ob Winckelmanns Ansatz tatsächlich auf einer Linie mit diesen Positionen ist, soll im Folgenden probeweise zur Debatte gestellt werden. Winckelmann selbst hat, wie schon angedeutet, durchaus nahegelegt, dass sein stilgeschicht licher Ansatz erst durch die Verfügbarkeit von Kunst im Sammlungsraum Rom ermöglicht wurde. Dieser Gedanke findet sich auch in einer der berühmtesten (erst in der zweiten Auflage hin- zugefügten) Passagen der Geschichte, der viel zitierten „eingebildeten Versetzung nach Elis“. Winckelmann beschreibt hier ein Traumbild und imaginiert, wie er in einem 13 Décultot 2007b, 12–28, hier 13. 14 Pfisterer 2008, Kapitel 7; ähnlich auch Struck 2013, 265–278. 15 Voss 2007, 17–18, 36–49. 16 Zur Rolle von Serialität in den Naturwissenschaften: Toepfer 2017, 11–30. 17 Jolles 1930.
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Schöne Wissenschaften Sammeln, Ordnen und Präsentieren im josephinischen Wien
Titel
Schöne Wissenschaften
Untertitel
Sammeln, Ordnen und Präsentieren im josephinischen Wien
Autor
Nora Fischer
Herausgeber
Anna Mader-Kratky
Verlag
Österreichische Akademie der Wissenschaften
Ort
Wien
Datum
2021
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-7001-8642-7
Abmessungen
20.9 x 29.3 cm
Seiten
306
Kategorie
Kunst und Kultur
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