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Die Etablierung länderübergreifender Baunormen im habsburgischen Bauwesen 157
geben, den Instanzenweg zu reglementieren und die Bauverantwort lichen zu einem
ökonomischen Handeln – etwa durch das Einholen mehrerer Kostenvoranschläge –
anzuhalten. Doch erst die Ernennung von Ernst Christoph Graf Kaunitz-Rietberg,
dem Sohn von Staatskanzler Wenzel Anton Fürst Kaunitz-Rietberg, und die gleichzei-
tige Reformierung der Baubehörde führten 1772 zu einer Beruhigung der aufgeheizten
Stimmung zwischen dem Hofbauamt und der Hofkammer.
Gleichzeitig mit Kaunitz-Rietberg trat Franz Anton Hillebrandt sein Amt als
neuer Oberhofarchitekt an, und in den kommenden Jahren konnten weitere Hofarchi-
tekten mit klar definierten Zuständigkeitsbereichen in ihrer Funktion bestätigt wer-
den, um die Behörde weiter zu stärken. Nach dem Tod Maria Theresias (1780) redu-
zierte Joseph
II. jeg
liche Aufwendungen für höfische Bauführungen auf ein Minimum,
denn für ihn standen Infrastrukturprojekte wie der Ausbau des Allgemeinen Kran-
kenhauses in Wien und raumplanerische Überlegungen bei der Gestaltung städtischer
Freiräume (Basteien, Glacis, Augarten, Prater) im Vordergrund; in den Erhalt der
Hofgebäude sollte hingegen nur noch das Notwendigste investiert werden. Über die
Planung diverser Bauvorhaben wachte der Kaiser persönlich, indem er die Baustellen
regelmäßig in Augenschein nahm und sich Entwürfe zur Genehmigung vorlegen ließ.
Diese mahnte er stets mit großer Ungeduld ein.
Die Gründung der Oberhofbaudirektion
Durch sein direktes Engagement war Joseph II. mit den Arbeitsabläufen im kaiser-
lichen Hofbauwesen gut vertraut, wobei er den mitunter langwierigen Instanzenlauf
mehrfach kritisierte. Dieser betraf insbesondere Bauvorhaben in den Erblanden, in
denen die Baubehörden in unterschied
licher Weise organisiert waren, weshalb Geneh-
migungsverfahren sehr lange dauern konnten. Aus diesem Grund trug sich der Kaiser
seit Frühjahr 1783 mit dem Gedanken, in Wien einen übergeordneten „Ingenieur-
Directeur“ für alle Provinzen zu installieren, der sowohl für den Hochbau als auch für
Angelegenheiten des Wasserbaues (Regulierung von Flüssen, Brückenbau etc.) zustän-
dig sein sollte. Eine entsprechende Anfrage nach einem geeigneten Kandidaten für
dieses Amt mit weitreichenden Befugnissen, die der Hofkammerpräsident im Auftrag
Josephs II. an die Ungarisch-Siebenbürgische Hofkanzlei richtete, blieb ergebnislos,
hielt die Hofkanzlei dieses Unterfangen doch für aussichtslos: „so ist die Hungarl:
Siebenbl: Hof=Kanzley, welcher kein diesem Werk gewachsenes Individuum bekannt
ist, ohnvermögend, sich in dem Vorschlag desselben einzulassen, und wenn auch allen-
falls ein Individuum von dieser Gattung ausfindig gemacht werden könnte, so fällt
dieser Anstand auf, daß die Erledigung derley Plan wegen ihrer allzugrossen Menge
zum Nachtheil des allerhöchsten Dienstes, und respective des Publici sehr spät erfol-
gen wird.“9
9 Nota der Ungarisch-Siebenbürgischen Hofkanzlei an Hofkammerpräsident Leopold Graf
Kollowrath vom 23. Mai 1783; Wien, FHKA, NHK, Kaale Ö, Akten 1612, fol. 546–548.
Schöne Wissenschaften
Sammeln, Ordnen und Präsentieren im josephinischen Wien
- Titel
- Schöne Wissenschaften
- Untertitel
- Sammeln, Ordnen und Präsentieren im josephinischen Wien
- Autor
- Nora Fischer
- Herausgeber
- Anna Mader-Kratky
- Verlag
- Österreichische Akademie der Wissenschaften
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7001-8642-7
- Abmessungen
- 20.9 x 29.3 cm
- Seiten
- 306
- Kategorie
- Kunst und Kultur