Seite - 165 - in Schöne Wissenschaften - Sammeln, Ordnen und Präsentieren im josephinischen Wien
Bild der Seite - 165 -
Text der Seite - 165 -
Die Etablierung länderübergreifender Baunormen im habsburgischen Bauwesen 165
unternommen worden, Deutsch als verpflichtende Sprache einzuführen, um dem
Hofbaupersonal die Übersetzungsarbeit mit französisch verfassten Berichten zu
ersparen. Im Hofbauamt war es insbesondere Vizehofbaudirektor Jean-Baptiste de
Demenge Brequin, der des Deutschen nicht mächtig war und ausschließlich in Fran-
zösisch kommunizierte.43 Brequin sah sich aufgrund seines fortgeschrittenen Alters
aber nicht mehr in der Lage, die deutsche Sprache zu erlernen, weshalb Maria Theresia
ihrem altgedienten Mitarbeiter einen Übersetzer zur Seite stellte.44 Die Ausnahme von
der Regel bestätigt auch der Franzose Isidor Ganneval, der 1775 zum Hofarchitekten
ernannt wurde, obwohl es um seine Deutschkenntnisse nicht gut bestellt war. Der von
Joseph II. protegierte Architekt durfte sich laut kaiser
lichem Beschluss ab 1782 aus-
schließlich auf jene Bauprojekte konzentrieren, die dem Kaiser besonders am Herzen
lagen. Weil Ganneval „der teütschen Sprache nicht recht mächtig“ sei, wie Joseph II.
seinen Generalhofbaudirektor Kaunitz-Rietberg wissen ließ, sollte er künftig von
seinen Verpflichtungen als Hofarchitekt entbunden werden, womit ihm eine Sonder-
stellung im Hofbauamt eingeräumt wurde.45
Das Banat als „Modellregion“
All jene Reformen, die durch die Gründung der Oberhofbaudirektion seit Herbst
1783 schrittweise im habsburgischen Bauwesen implementiert wurden, waren bereits
20 Jahre zuvor in kleinerem Rahmen erprobt worden:46 Nach Ende des Siebenjährigen
Krieges (1756–1763) setzte eine massive, von der Hofkammer und dem Hofkriegsrat
gelenkte Impopulationspolitik in das Banat im Südosten der ungarischen Tiefebene
ein. Zwar gehörte dieser Landstrich bereits seit dem Frieden von Passarowitz (1716)
zur Habsburgermonarchie, doch war die Grenzregion bis in die zweite Jahrhundert-
hälfte nur dünn besiedelt. Seit Mitte der 1760er-Jahre mussten für die große Zahl an
Siedlerinnen und Siedlern binnen kurzer Zeit neue Dörfer angelegt und entsprechen-
der Wohn- und Arbeitsraum geschaffen werden.47 Zur Beschleunigung dieses Verfah-
rens entschieden Hofkammer und Hofkriegsrat zugunsten streng geometrischer,
block artiger Dorfgrundrisse, in denen allen Familien Flächen derselben Größe zur
Verfügung gestellt werden konnten.48 Die Errichtung der benötigten Gebäude erfolgte
nach zentral erstellten Musterplänen, die nicht nur eine rasche Umsetzung garantier-
ten, sondern auch zu einer (durchaus intendierten) Uniformität der Architektur
43 Dekret vom 12. März 1773 an Jean-Baptiste de Demenge Brequin mit der Verordnung, Anzeigen und
Auskünfte in Hinkunft in deutscher Sprache einzureichen. „Da bey allen KK: Hof Stellen gewöhn-
lich ist, daß die zuerstatten kommende berichte, oder allenfalls machende Anzeigen, und Überschläge
in Deutscher Sprach Verfaßet werden“; Wien, FHKA, NHK, Kaale Ö, Akten 1609, fol. 163r–165v.
44 Schönburg-Hartenstein / Zedinger 2004, 19–20.
45 Wien, HHStA, HA, HBA, K. 52, 312, 484r–492v (Currentsitzung vom August 1782, Nr. 61); Mader-
Kratky 2017, 150–151.
46 Vgl. Benedik 2010a.
47 Im Zeitraum von 1762–1772 wurden über 5000 Kolonistenhäuser errichtet; Mraz 1980, 143.
48 Roth 1987, 9–14.
Schöne Wissenschaften
Sammeln, Ordnen und Präsentieren im josephinischen Wien
- Titel
- Schöne Wissenschaften
- Untertitel
- Sammeln, Ordnen und Präsentieren im josephinischen Wien
- Autor
- Nora Fischer
- Herausgeber
- Anna Mader-Kratky
- Verlag
- Österreichische Akademie der Wissenschaften
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7001-8642-7
- Abmessungen
- 20.9 x 29.3 cm
- Seiten
- 306
- Kategorie
- Kunst und Kultur