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176 Markus Krajewski
Eine zweite Taktik besteht darin, dem Übel bereits am Ursprung abzuhelfen. Wenn
schon in der Produktion Qualitätsfilter zum Tragen kommen, so können „unnütze
Broschuren-Schmierer“37 im Vorhinein daran gehindert werden, ihre Texte erscheinen
zu lassen. Ganz im Gegensinn zu Maria Theresias Aufforderung zum Nachdruck und
seiner eigenen Studienreform sieht sich Gottfried van Swieten gezwungen, die akade-
mische Vielschreiberei mit akuten Gegenmaßnahmen in ihre Schranken zu weisen.38
Ab April 1784 muss jeder Autor vor der Drucklegung seines Werks eine Kaution in
Höhe von „6 Duggaten“39 hinterlegen, die nur rückerstattet wird, wenn die Studien-
hofkommission den Druck auch genehmigt. Sollte der Bescheid negativ ausfallen, wird
der Betrag einbehalten und dem Armeninstitut zugewendet. Im Kampf gegen die Jesu-
iten wie auch als Regelungsinstanz des Schriftenstroms zeigt die Bücherzensur ihre
Wirksamkeit.40
Dritte Taktik: Den seit 1559 in Rom erscheinenden Index librorum prohibitorum
erweitert Gottfrieds Vater Gerhard van Swieten in der österreichischen Säkular-Vari-
ante um zahlreiche weitere Werke. Die Begründungen fallen in der Regel knapp und
präzise aus.41 Doch während bei Gerhard van Swieten primär naturwissenschaft
liche
Texte auf der Ab- bzw. Ausschlussliste stehen, bevorzugt sein Sohn Gottfried bei der
Tätigkeit als Zensor abweichende Selektionskriterien: „Cabbalistik und Magie sind,
unter dem unschädlichsten Gesichtspunkte betrachtet, die Frucht eines kranken und
zerrütteten Gehirns, und gehören in das Gebiethe des Wahnsinns.“42 Auch zahlreiche
theologische und juridische Schriften aus den aufgelösten Klöstern schleust Gottfried
keineswegs direkt in die Bibliotheksbestände. Stattdessen wird ein erheb licher Teil
dem Militär überlassen, um daraus neue Munition anzufertigen.43
Der wichtigste Mechanismus, dem „Druck des Wissens“44 mit bibliothekarischen
Mitteln zu begegnen (oder standzuhalten), liegt indes beim Katalog selbst. Dieser
kommt nicht umhin, die Neuzugänge der Hofbibliothek, die Wucht der Flut aufzu-
fangen. Doch zunächst, wenn sich der Strom der Bücher ab 1773 zu steigern beginnt,
werden die Dränagen gelegt, das heißt auf die Hofbibliothek als zentrales Sammel-
becken ausgerichtet.
„Die Absicht der Verfügung weyland Ihrer k.u.k. apostolischen Majestät war, den
überall zerstreuten Nachlass der Jesuiten an Urkunden, Büchern und Schriften zu
37 Wien, AVA, Unterricht, Studienhofkommission, Teil 1, 133 Protokolle der Studien-Hof-Kommission
(Sign. 28) (1776–1791), Protokoll der Studienhofkommission vom 5. Mai 1784; zit. nach Bernhardt
1930, 131.
38 Vgl. zur josephinischen Studien- und Bildungsreform ebenda, 126–134.
39 Ebenda, 126.
40 Vgl. Winter 1943, 41, und ausführlich Fournier 1876.
41 Einblicke in die Zensurpraxis von Gerhard van Swieten gewährt ein Ausstellungskatalog, der die
Unterscheidung zwischen „Damnatur“ und „Admittitur“ mit zum Teil ausführ licher Begründung
von van Swieten vorführt; vgl. Petschar 1993, 46–55.
42 Zit. nach Wieser 1968, 291.
43 Vgl. Bernhardt 1930, 123.
44 Cahn 1991.
Schöne Wissenschaften
Sammeln, Ordnen und Präsentieren im josephinischen Wien
- Titel
- Schöne Wissenschaften
- Untertitel
- Sammeln, Ordnen und Präsentieren im josephinischen Wien
- Autor
- Nora Fischer
- Herausgeber
- Anna Mader-Kratky
- Verlag
- Österreichische Akademie der Wissenschaften
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7001-8642-7
- Abmessungen
- 20.9 x 29.3 cm
- Seiten
- 306
- Kategorie
- Kunst und Kultur