Seite - 177 - in Schöne Wissenschaften - Sammeln, Ordnen und Präsentieren im josephinischen Wien
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Wie ordnet sich Habsburg? Stillstellung und Beweglichkeit um 1780 177
sammeln und an einen Ort zu bringen, wo sie am sichersten bewahrt, am besten geord-
net und benützt werden könnten. Ein solcher Ort ist unstreitig die k. k. Hofbiblio-
thek, und gleichzeitig die einzige MASSA im Lande, mit welcher eine Sammlung die-
ser Art sich vereinigen lasset.“45 Die Hofbibliothek konfiguriert sich schon um 1775 als
ein Ort von Big Data.
Im Mai 1780 wird die Arbeit am neuen und aufgrund fehlender Alternativen einzi-
gen vollständigen Gesamtkatalog aufgenommen. Doch bis dahin gelangten die Neu-
zugänge weniger in eine systematische Stellordnung, als in unadressierte Depots. Der
Zustrom wurde mangels verfügbarer Arbeitskräfte zunächst mit der eher typischen
Reaktion der Verwaltung bedacht. Bereits Gerhard van Swieten „hatte bei näherer
Bekanntschaft mit derselben bald bemerkt, dass die Sorgfalt und Freigiebigkeit, womit
die österreichischen Herrscher die vorzüglichsten Bücher in ganz Europa aufsuchen
und ankaufen liessen, grösser war, als der Fleiss der Präfecten und Custoden, die
Erwerbungen zu ordnen und zu bewahren“.46
Das am „22.
may 1780“ begonnene Unternehmen, das späterhin unter der Projekt-
bezeichnung Josephinischer Zettelkatalog geführt wird und dessen Resultat heute in
„205 Kästchen“47 sein ehrenvolles Dasein in einem hermetisch abgeschlossenen Käm-
merchen der Österreichischen Nationalbibliothek fristet, wird gemeinhin48 und
zuweilen stolz49 als der erste Zettelkatalog der Bibliotheksgeschichte bezeichnet.
Gottfried van Swieten setzt auf ein genau geregeltes Verfahren, um bei der großen
und stetig steigenden Bücherzahl Koordinierungsschwierigkeiten von vornherein zu
minimieren, auf eine Instruktion, nach deren Anweisungen endlich alle Bücher der
Hofbibliothek vollständig erfasst und beschrieben werden sollen. Solche schriftlich
festgehaltenen Bibliotheks-Befehlssätze sind bis zum Ende des 18. Jahrhunderts kei-
neswegs selbstverständlich. Die Katalogisierung erfolgte bislang üb licherweise unter
der Aufsicht eines Bibliothekars, der die Skriptoren mündlich instruiert und direkt auf
Missstände und Korrekturen hinweist.50
Die Ausarbeitung der Instruktionen findet in zwei Phasen statt. Der erste, bereits
recht detaillierte Entwurf entstammt van Swietens eigener Feder und erteilt Unterricht
und Anweisung für diejenigen, so die Titel und Bücher abschreiben sollen.51 Diese „Vor-
schrift worauf die Abschreibung aller Bücher der k. k. Hofbibliothek gemacht werden
solle“ listet nicht nur sämt
liche Hilfskräfte mitsamt charakter
licher Beurteilung auf,
sondern enthält vor allem sieben Punkte, was bei der Beschreibung der Bücher auf die
45 Wien, ÖNB, Akt HB 136/1780, Brief von Gottfried van Swieten, 24. Oktober 1781; zit. nach
Radlecker 1950, 108.
46 Mosel 1835, 151.
47 Swieten 1787 (Stummvoll 1968), 320.
48 Vgl. etwa Meinel 1995, 183, Anm. 57, oder Roloff 1961, 255 und 257.
49 Vgl. Petschar / Strouhal / Zobernig 1999.
50 Noch bis ins 20. Jahrhundert sind Katalogisierungen nach münd licher Tradition in Großbibliotheken
durchaus üblich, etwa in Tübingen oder in Darmstadt, vgl. Hilsenbeck 1912, 313–314. Vgl. zur frühen
Praxis der Katalogisierung auch Schreiber 1927.
51 Wien, ÖNB, Akt HB 125/1780.
Schöne Wissenschaften
Sammeln, Ordnen und Präsentieren im josephinischen Wien
- Titel
- Schöne Wissenschaften
- Untertitel
- Sammeln, Ordnen und Präsentieren im josephinischen Wien
- Autor
- Nora Fischer
- Herausgeber
- Anna Mader-Kratky
- Verlag
- Österreichische Akademie der Wissenschaften
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7001-8642-7
- Abmessungen
- 20.9 x 29.3 cm
- Seiten
- 306
- Kategorie
- Kunst und Kultur