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Schöne Wissenschaften - Sammeln, Ordnen und Präsentieren im josephinischen Wien
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Wie ordnet sich Habsburg? Stillstellung und Beweglichkeit um 1780 181 provisorischer Status inne. Welche Dauer muss verstreichen, um das Stigma des mit der Zeit unausweich lichen Verlusts von Ordnung durch Beweglichkeit abzustreifen zugunsten eines neuen Status? Dieser etabliert sich zunächst nur als Interimslösung, die unverhofft eine Chance zur Bewährung erhält, bevor die Vorteile des Zettelkata- logs sich gegenüber dem bibliothekarischen Paradigma des gebundenen Katalogs durchzusetzen vermögen. Erst allmählich sichert sich die Zettelsammlung einen fes- ten, aber beweg lichen Ort im Katalogzimmer. 1912 ist der Kampf um die Katalogform noch keineswegs entschieden, als Fritz Milkau, der glühende Verfechter systemati- scher Katalogaufstellungen, die Apparatur des Zettelkatalogs so treffend wie unab- sichtlich als „Verlegenheitsprodukt“ denunziert.65 Noch drastischer könnte man sagen: Die zukunftsweisende Idee, auf allzu beweg liche Elemente wie Menschen und Bücher ihrerseits mit beweg licher Verzeichnung zu reagieren, ist einem Prozess anhaltender Tatenlosigkeit geschuldet. Der erste dauerhaft verwendete Zettelkatalog der Biblio- theksgeschichte ist der Effekt einer unaufhör lichen Prokrastination. Es ist schlicht die Zeitspanne seiner Benutzung, die den Zettelkatalog in der Hof- bibliothek als reguläres Findmittel etabliert. Noch 1780 konnte niemand ahnen, dass der Josephinische Katalog auch als tatsäch liche Suchmaschine oder Repräsentations- instrument des Speichers zum Einsatz gelangen sollte. Allein Gottfried van Swieten scheint ob der erdrückenden Masse zu verzeichnender Bücher vorsichtige Skepsis an den Tag zu legen. In seinem Generalbericht 1787 deutet er behutsam an, dass die unge- heure Datenmenge unter den gegebenen Umständen weder in einem systematischen noch – wie zunächst geplant – in einem alphabetischen Bandkatalog zu erfassen wäre. In seinem Bericht zum Katalogprojekt von 1780/1781 heißt es: „[E]ine Unternehmung vom unermeß lichen Umfange, und verhältnißmässiger Arbeit, wovon die Materialien 205 Kästchen füllen, die, wenn sie verarbeitet seyn werden, nach einen mässigen Anschlag einen Katalog von 50 bis 60 Foliobänden versprechen.“66 Zumal die Arbeit nicht anders weitergeführt werden kann, als die einmal abge- schriebenen Titel zu ordnen, bleibt es entgegen aller bibliothekarischen Praxis bei der dauerhaften Verwendung der Zettel. Ohne die erneute Abschrift im Bandkatalog ent- steht keine Bibel der Bibliothek, kein Buch der Bücher. Stattdessen traut man sich, die Bibliographie in einzelnen, zerstückelten, diskreten Kleinst-Bibliographien zu belas- sen. Die Vorstufe des Katalogs, das Provisorium seiner Zettel / „Materialien“ gerät letztlich im Überfluss der Bücher zur unvermeid lichen Geburt des Zettelkatalogs. Diesem letzten, ausgebliebenen Schritt im Programm der bibliothekarischen Daten- verarbeitung verdankt der fortan allein und bis zum Nachfolger von 1848 uneinge- schränkt zur Verwendung kommende Josephinische Zettelkatalog seinen Einsatz. Den Beweis seiner Praktikabilität erbrachte ein Kopier-Fehler. Erst das Fehlen eines gebun- denen Repertoriums ermächtigt das Aggregat aus Zetteln seit 1781, auf alle Anfragen, wo ein Buch stehe, eine Antwort zu geben. Das gescheiterte Unternehmen wird still- schweigend zum Erfolg. 65 Milkau 1912, 604; vgl. Krajewski 2017, 16-36. 66 Swieten 1787 (Stummvoll 1968), 320.
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Schöne Wissenschaften Sammeln, Ordnen und Präsentieren im josephinischen Wien
Titel
Schöne Wissenschaften
Untertitel
Sammeln, Ordnen und Präsentieren im josephinischen Wien
Autor
Nora Fischer
Herausgeber
Anna Mader-Kratky
Verlag
Österreichische Akademie der Wissenschaften
Ort
Wien
Datum
2021
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-7001-8642-7
Abmessungen
20.9 x 29.3 cm
Seiten
306
Kategorie
Kunst und Kultur
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