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196 Andrea Seidler
keine namhafte Stadt anzutreffen, die nicht ihre besondere Sammlungen, Magazine,
Tagebücher, u.s.w. hätte. Der allgemeine Nutzen; die angenehme Abwechslungen; der
Vortheil, ohne vielem Aufwande dennoch Schriften lesen zu können, die nicht ein
jeder sich anzuschaffen im Stande wäre, die dennoch sehr nützlich, und öfters beynahe
unumgänglich zu wissen nöthig sind, scheinen die Ursache einer so günstigen Auf-
nahme zu bestimmen. Man hat sich für verpflichtet gehalten, Liebhabern der Gelehr-
samkeit das wesentlichste mit kurzen Worten allhier anzuzeigen, ohne sie mit einer
längeren Vorrede aufzuhalten.“27 Im Falle von Rezensionen, die ebenfalls Teil der Pub-
likation sein sollten, will er den Weg der Behutsamkeit und Diplomatie gehen: „Man
wird hiebey Sorge tragen, das Angenehme mit dem Nütz lichen genau zu verbinden,
allen verständlich zu seyn, niemanden, auf was immer für eine Weise, zu beleidigen [...]
ohne in beissende Kritiken, schiefe Anspielungen, durch welche einige Gelehrte sich
besonders zu unterscheiden glauben, oder Machtsprüche, überzugehen.“28 Das inhalt-
lich durchaus ambitionierte Blatt wurde indessen nach diesem ersten Teil eingestellt,
ohne dass es zu den angekündigten Rezensionen gekommen wäre. Die Beiträge, die
Wasserberg einrückte, waren aus ausländischen gelehrten Magazinen übernommen
worden und sind tatsächlich dem Bereich der Naturwissenschaften zuzuordnen,
wobei oft praxisbezogene Anleitungen vermutlich die Experimentierfreude des Leser-
publikums animierten. Die Quellen Wasserbergs waren unter anderem die Londoner
Medical Transactions, das Strahlsunder Magazin, die Gazette Salutaire (1761–1793),
das Neue Hamburger Magazin, aber auch die Wiener Realzeitung und diverse aktuelle
Handbücher der Medizin, Zoologie und Botanik.
Die 1773 ebenfalls bei Trattner herausgegebenen Auszüge [später Rezensionen und
Auszüge] aus den besten litterarischen Journalen Europens des Franz de Paula Rosalino
bilden den Beginn des Vertriebs reiner Rezensionszeitschriften in Wien (Abb. 6).29
Rosalino hatte einen bemerkenswerten Lebensweg: Er studierte Philosophie und
Theologie in Wien, wurde nach einem längeren Aufenthalt auf dem Land als Seelsorger
zunächst Mathematik- und Physiklehrer, verließ diesen Posten allerdings, um sich ganz
dem Studium der Literatur widmen zu können und wurde schließlich 1782 theologi-
scher Bücherzensor unter Joseph II. In dieser Position machte sich der fortschritt
liche
Aufklärer, der eng mit Gottfried van Swieten zusammenarbeitete, durch die Zulassung
kirchenkritischer Schriften auch Feinde. Rosalino war Herausgeber mehrerer Zeit-
schriften vermischten Inhalts, war aber auch als Übersetzer gefragt. Bei den zwei Jahr-
gänge überdauernden Auszügen handelt es sich um ein Rezensionsorgan, das sich
sowohl mit Naturwissenschaften, politischen Publikationen, historischen Werken als
auch mit der schönen Literatur, Reisebeschreibungen und ähn
lichem beschäftigte. Man
findet darin vornehmlich Besprechungen ausländischer Werke vor allem französischen
27 Sammlung nütz licher und angenehmer Gegenstände aus allen Theilen der Naturgeschichte, Arzney-
wissenschaft, und Haushaltungskunst, Jg. 1, Wien 1772, Vorbericht unpaginiert.
28 Ebenda.
29 Franz de Paula Rosalino, Franz Radakowsky, 5 Bde., Wien (Trattner) 1773–1774, 8; vgl. Seidler /
Seidler 1988, 43.
Schöne Wissenschaften
Sammeln, Ordnen und Präsentieren im josephinischen Wien
- Titel
- Schöne Wissenschaften
- Untertitel
- Sammeln, Ordnen und Präsentieren im josephinischen Wien
- Autor
- Nora Fischer
- Herausgeber
- Anna Mader-Kratky
- Verlag
- Österreichische Akademie der Wissenschaften
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7001-8642-7
- Abmessungen
- 20.9 x 29.3 cm
- Seiten
- 306
- Kategorie
- Kunst und Kultur