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Thomas Wallnig
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Eine digitale Annäherung
Eine eigentüm liche Analogie verbindet den Iconic Turn der Wissenschaften des
18. Jahrhunderts mit dem gegenwärtigen Amalgamierungsprozess von traditionellen
und digitalen Methoden in den Geisteswissenschaften. Im 18. Jahrhundert entfaltete
die bereits vorhandene wissenschaft
liche Bildgebung ihre eigenständige Epistemologie
und fand in der Ästhetik eine Basis, dies mit Blick auf die Spannung von Subjekt und
Objekt zu reflektieren; zugleich ermöglichte die Verfügbarkeit großer Mengen an
Bildmaterial die Frage nach der Morphologie in verschiedenen Wissensbereichen und
lenkte damit den Blick vom Individuellen auf das Allgemeine.
Die heute vielfach einsetzende digitale Bearbeitung historischen Materials eröffnet
ein ähn liches Spannungsfeld, nämlich respektive das nach der Aussagekraft und dem
Aussagewert von quantifizierten Daten und visuellen Darstellungsformen. In beiden
Fällen kann uns eine Auffassung von wissenschaft lichem Wissen als spezifischer dis-
kursiver Formation und nicht als ahistorischer Gegebenheit helfen, jenseits einer Pola-
rität von Fakt und Fiktum, von belastbaren Daten und arbiträren Bildern, die dabei
stattfindenden Erkenntnisprozesse selbst zu betrachten.1
Der folgende Text tut dies nicht analytisch, sondern experimentell und ist auch
unter diesem Vorbehalt zu verstehen. Er entwickelt das gestellte Thema „Wissen in
Wien, 1780“, indem er es von verschiedenen Seiten umkreist, also unterschied liche
Datenbestände darauf bezieht und unter Heranziehung verschiedener digitaler Metho-
den andeutet.2 Das Thema selbst ergibt sich aus der Aufgabenstellung, gleichsam zur
Kontextualisierung der anderen Beiträge des Bandes anhand eines arbiträren Zeit-
schnitts einen Überblick zu bieten.
Ein solcher Überblick aber kommt nicht an einer dominanten Erfolgserzählung
vorbei, die sich wohl am besten in dem Bild Kaiser Franz Stephans im Kreis seiner
Sammlungsleiter ausdrückt (Tafel 1). Will man sich dieser Erzählung verweigern, so
kann man bei entsprechenden Quellenstudien und feinem methodischen Werkzeug zu
tatsächlich neuen Ergebnissen kommen, wie der abschließende Abschnitt zeigen wird.
Hat man jedoch keine solchen Quellenstudien aufzuweisen, so können digitale Metho-
den wenigstens einen alternativen Blick auf Bekanntes ermög lichen.
Ausgangspunkt hierfür bildet das angesprochene Bild von einem mit einzelnen
namhaften Persönlichkeiten und Institutionen bevölkerten Diorama habsburgischer
1 Zwei unterschied liche Zugänge zu diesem Problemfeld repräsentieren etwa die Historisierung bild-
licher Episteme (Daston / Galison 2007) oder die wissenschaftstheoretischen Reflexionen zu
„Design“ (Latour 2008).
2 Der Pool an verfügbaren Daten erweitert sich ständig; die Herausforderung besteht darin, die
richtigen Daten für die digitale Bearbeitung richtig aufzubereiten und dann die passenden Methoden
anzuwenden.
Schöne Wissenschaften
Sammeln, Ordnen und Präsentieren im josephinischen Wien
- Titel
- Schöne Wissenschaften
- Untertitel
- Sammeln, Ordnen und Präsentieren im josephinischen Wien
- Autor
- Nora Fischer
- Herausgeber
- Anna Mader-Kratky
- Verlag
- Österreichische Akademie der Wissenschaften
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7001-8642-7
- Abmessungen
- 20.9 x 29.3 cm
- Seiten
- 306
- Kategorie
- Kunst und Kultur