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Schöne Wissenschaften - Sammeln, Ordnen und Präsentieren im josephinischen Wien
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240 Eva Kernbauer – Gleichgesinnte beim gleichberechtigten Austausch zeigt und dennoch subtile Hin- weise auf die jeweiligen Kompetenzen und Hierarchien der Dargestellten gibt. Zwar wird das berufsbezogene Gruppenporträt in älteren Definitionen aus dem Conversa- tion Piece ausgenommen.35 In diesem Falle aber ermöglicht gerade die Anwendung des Bildtypus die soziale Charakterisierung der Dargestellten als Mitglieder der „Polite Society“. Durch die Wahl des Bildtypus wird die Kunstakademie von einer Repräsen- tationsstätte kaiser licher Kunstpolitik in ein Soziotop transformiert, das eher einem privaten Kreis von Kennern oder Gelehrten nahekommt. Für diese Idee, durch eine neuartige Anwendung des Conversation Piece ein akademisches Gruppenporträt um- oder aufzuwerten, gibt es ein klares Vorbild, nämlich Johann Zoffanys Porträt der Gründungsmitglieder der erst drei Jahre zuvor eingerichteten Royal Academy von 1771/1772 (Abb.  3). Tatsächlich wird Quadals Gruppenbild in dem oben erwähnten Artikel in der Wiener Zeitung von 1787 als „würdiges Gegenstück zu der berühmten Londnerakademie nach Zoffany“ bezeichnet, „die man der Vorstellung nach die theo- retische, und diese [Quadals „Akademie“] die ausübende nennen könnte“.36 Man kann davon ausgehen, dass Quadal Zoffanys Gemälde aus erster Hand kannte, da es in der Ausstellung der Royal Academy 1772 zu sehen war, an der er selbst teilnahm. Zoffanys Gemälde zeigt 34 Personen und damit fast alle männ lichen Mitglieder der Royal Academy, angeordnet um die ranghöchsten Akademiker, den Präsidenten Joshua Reynolds und den Treasurer William Chambers, wobei der Maler selbst im linken Bildvordergrund, die Palette in der Hand, aus dem Bild blickt.37 Die Mitglieder haben sich wie zu einer Bühnenprobe einer Aktzeichenstunde versammelt. Das Modell wird eingerichtet und manche Darstellungsutensilien stehen bereit, aber keiner der Anwesenden scheint darauf eingerichtet zu sein, nun tatsächlich mit der Arbeit zu beginnen, zumindest nicht praktisch. In Zoffanys Bild wird beobachtet, diskutiert, ausprobiert, wobei die Antikenstatuen gemeinsam mit dem gerade „eingerichteten“ Modell den künstlerischen Horizont der Aktdarstellung zwischen anatomischer Wahrheit und idealischer Schönheit eröffnen. Sehr eingängig wird illustriert, wie mit ihrer Hilfe der Aktsaal zum Schauplatz eines antikisierenden Reenactments wird. Das Conversation Piece tut ein Weiteres, um die Akademie auf ihre antiken Wurzeln zurückzuführen: auf den Austausch zwischen Gelehrten, ohne Unterscheidung zwi- schen Kunst und Wissenschaft, entsprechend ihrer noblen antikisch-klassizistischen Traditionslinie. Quadal nahm diesen Umstand deutlich wahr, sollte doch sein Aktsaal- bild keine „theoretische“, sondern eine „ausübende“ Akademie darstellen. Dabei bot 35 Dies hat zumindest einer der frühesten Autoren zum Conversation Piece in seiner Definition des Bildtypus vorgeschlagen: Praz 1971. Für neuere Forschungen zum Conversation Piece vgl. Busch 1987; Paulson 1975, 121–136 (Kapitel 8 „The Conversation Piece in Painting and Literature“); Pointon 1993; Solkin 1993; Lerche 2006, bes. 17–46. 36 [Franz Benedikt] Ratakowsky, Kunstsachen Ankündigung (datiert auf den 6.  Oktober), in: Wiener Zeitung, Nr. 82 (13.  Oktober 1787), pag. 2495. 37 Dazu kommen noch Porträtmedaillons der beiden weib lichen Gründungsmitglieder Angelika Kauffmann und Mary Moser, die als notgedrungen permanent „Abwesende“ im Aktzeichensaal nicht persönlich, sondern in Form des imago clipeata dargestellt sind. Zu dieser Darstellungsform vgl. Pointon 1997, 165, Anm. 4.
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Schöne Wissenschaften Sammeln, Ordnen und Präsentieren im josephinischen Wien
Titel
Schöne Wissenschaften
Untertitel
Sammeln, Ordnen und Präsentieren im josephinischen Wien
Autor
Nora Fischer
Herausgeber
Anna Mader-Kratky
Verlag
Österreichische Akademie der Wissenschaften
Ort
Wien
Datum
2021
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-7001-8642-7
Abmessungen
20.9 x 29.3 cm
Seiten
306
Kategorie
Kunst und Kultur
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