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96 Chilesalpeter ab dem Sommer 1914 war es in Österreich-Ungarn nämlich not-
wendig geworden, für die Herstellung von Sprengstoff vermehrt selbst Stick-
stoffverbindungen zu produzieren. Aus Kalkstickstoff zum Beispiel konnte Sal-
petersäure produziert werden. Sauerstoff wurde unter anderem zur Behand-
lung von Giftgasopfern eingesetzt, und ab dem Mai 1915 wurden insbesondere
an der italienischen Front auch erstmals neu entwickelte „Luftminenwerfer“
beziehungsweise pneumatische Werfer erprobt, wobei an der Isonzofront von
der Armee eigenständig ein Werfer entwickelt wurde, der als Treibmittel eine
mit Wasser- und Sauerstoff gefüllte Patrone verwendete.172 Auch aus diesem
Grund ist ein direkter militärischer Zusammenhang mit der geplanten neuen
Kärntner Produktionsstätte nicht ganz von der Hand zu weisen.
Hinsichtlich der Untersuchung von Munition und Sprengstoffen langte jeden-
falls sicher noch am 1. Juni 1918 beim Rektorat ein Schreiben des k. u. k. Ar-
mee- und Korpswaffendepots Graz ein. Diesem zufolge wurde der absolvierte
Techniker und Landsturm-Schütze Franz Lorenz dem Depot zugewiesen, da-
mit er sich um die Erhöhung der Sicherheit in den Pulver- und Munitionsmaga-
zinen kümmere. Dadurch sollten etwaige Explosionen durch eigene Munition
und Beutemunition durch Selbstentzündung verhindert werden. Für die Vor-
nahme eingehender und umfangreicher Analysen und sonstiger chemischer
Untersuchungen standen dem Grazer Artillerielaboratorium allerdings nur
ganz unzureichende Räume und Hilfsmittel zur Verfügung, und daher wurde
die Technische Hochschule ersucht, Franz Lorenz die Möglichkeit zu geben,
vorgedachte Untersuchungen etc. in den dortigen Räumen und mit den dorti-
gen Apparaten und Hilfsmitteln durchzuführen.
Das Rektorat bat nun die in Frage kommenden Professoren um eine Äuße-
rung zu diesem Gesuch. Professor Emich teilte daraufhin mit, dass er bedauer-
licher Weise über die notwendigen Räume und Apparate nicht verfüge, Profes-
sor Andreasch wollte wohl einen Arbeitsplatz im Laboratorium zur Verfügung
stellen, verfügte aber nicht über die benötigten Geräte und Apparate wie Ni-
trometer und die Reagenzien wie Salpeter-, Salz-, Schwefel- und Essigsäure.
Die Arbeiten könnten also nur durchgeführt werden, wenn die betreffenden
Reagenzien zur Verfügung gestellt würden, teilte er mit, und Professor Reinit-
zer führte aus, dass die ihm zur Verfügung stehenden 24 Labor-Arbeitsplätze
nicht einmal für die Hörer ausreichen würden und auch die entsprechenden
Reagenzien und Arbeitsstoffe wie Glas- und Porzellangeräte nur in höchst be-
schränktem Ausmaß zur Verfügung stünden.173
172 Christian ORTNER: Zwischen Innovation und Stagnation. Die technische Entwicklung
der österreichisch-ungarischen Artillerie 1914 - 1918. In: Wirtschaft, Technik und das Militär
1914 - 1918. Österreich-Ungarn im Ersten Weltkrieg. Herausgegeben von Herbert Matis,
Juliane Mikoletzky und Wolfgang Reiter (= Austria: Forschung und Wissenschaft, Geschichte,
Band 11), Wien 2014, S. 138 f.
173 ATUG, Rektoratsakte 774 ex 1918, Schreiben vom 1. 6. und vom 3. 6. 1918.
„ In diesen schweren Tagen“
Die Technische Hochschule Graz im Ersten Weltkrieg
- Titel
- „ In diesen schweren Tagen“
- Untertitel
- Die Technische Hochschule Graz im Ersten Weltkrieg
- Autor
- Bernhard Reismann
- Herausgeber
- Technische Universität Graz
- Verlag
- Verlag der Technischen Universität Graz
- Ort
- Graz
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-85125-627-7
- Abmessungen
- 20.0 x 25.0 cm
- Seiten
- 334
- Schlagwörter
- Forschungseinrichtung, Universität, Bildung, Krieg, Forschung, TU Graz
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918