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den deutschnationale Professor Franz Streintz wendet dagegen ein, daß dies
durchaus nicht entscheiden sei, daher keinen Grund bilden könne. Ablehnend
äußerten sich auch die Professoren Rudolf Schüssler, Friedrich und Benjamin
Reinitzer sowie Franz Drobny, wobei Friedrich Reinitzer ausführte: Wäre Hristicˇ
bereits als österreichischer Staatsbürger zu zählen, so müßte er erst seiner
militärische Dienstpflicht genügen, wie alle unserer Hörer. Da er dies nicht tut,
ist er noch serbischer Staatsangehöriger und daher abzuweisen.202
Hristicˇ wandte sich daraufhin mit seinem Gesuch am 6. Mai 1916 an das
Ministerium für Kultus und Unterricht in Wien, und im Dezember dieses Jah-
res legte auch die Polizeidirektion Graz ein grundsätzlich positives Zeugnis
über ihn vor. Während des Krieges hat er in polizeilicher Hinsicht zu mißliebigen
Wahrnehmungen keine Veranlassung gegeben hieß es darin. Dennoch lehnte
das Professorenkollegium über Antrag Professor Drobnys auch diesmal das
Ansuchen des Studenten und zwar aus prinzipiellen Gründen am 17. März 1917
ab. Aus den Akten geht aber auch Spannendes zu den näheren Lebensum-
ständen dieses Studenten hervor, das seinen speziellen Fall in einem beson-
deren Licht erscheinen lässt. Hristicˇ wurde zwar 1888 in Negotin in Serbien
geboren, lebte seit seinem zweiten Lebensjahr aber durchgehend mit seiner
Familie in Graz. Er wurde laut Auskunft der Polizeidirektion Graz bereits zu Be-
ginn des Krieges wie alle übrigen männlichen serbischen Staatsangehörigen in
Haft genommen und wegen Verdachtes des Verbrechens der Spionage dem
hiesigen k. k. Landwehr-Divisionsgerichte eingeliefert. Dieses Verfahren ge-
gen ihn wurde jedoch rasch eingestellt und Hristicˇ als wehrfähiger serbischer
Staatsangehöriger in Schutzhaft genommen: Er wurde allerdings bereits am
2. September 1914 wieder freigelassen, wobei man ihm die Auflage erteilte,
das Grazer Stadtgebiet nicht zu verlassen.203 Am 22. Oktober 1918 wurde
Hristicˇs Gesuch jedoch mit dem Hinweis darauf, dass er seit seinem zweiten
Lebensjahr in Österreich lebte und eine Österreicherin zur Frau hatte vom Pro-
fessorenkollegium einstimmig befürwortet, wobei Professor Postuvanschitz
noch hinzufügte: Unterstütze nun dieses Ansuchen wärmstens mit Rücksicht
auf die persönlichen Eigenschaften des Herrn Hrostic204 [!]. Was diesen Sin-
neswandel im Professorenkollegium ausgelöst haben könnte, erschließen die
Quellen nicht. Seinen Abschluss machte Bozidar Hristicˇ jedenfalls am 25. Juli
1919 - an der Technischen Hochschule Graz.205
Es gab aber auch den umgekehrten Fall. So hatte das Professorenkollegium
über Antrag Professor Alexander Tornquists in seiner Sitzung am 17. Oktober
1916 der Aufnahme des englischen Staatsbürgers Orestes Kadrnka von Anfang
an einstimmig zugestimmt, und in diesem Fall war es das Ministerium in Wien,
dass dem Antrag Kadrnkas aus prinzipiellen Gründen nicht Folge geben konnte.206
202 ATUG, Rektoratsakte 416 ex 1916, Auszug aus dem Sitzungsprotokoll
des Professorenkollegiums vom 4. 4. 1916.
203 ATUG, Rektoratsakte 4 ex 1917, Schreiben vom 17. 3. 1917.
204 Hier handelt es sich ganz offensichtlich um einen Tippfehler (B. R.).
205 ATUG, Studienblatt Bozidar Hristicˇ.
206 ATUG, Rektoratsakte 171 ex 1917, Schreiben vom 25. 10. 1916 und vom 26. 2. 1917.
„ In diesen schweren Tagen“
Die Technische Hochschule Graz im Ersten Weltkrieg
- Titel
- „ In diesen schweren Tagen“
- Untertitel
- Die Technische Hochschule Graz im Ersten Weltkrieg
- Autor
- Bernhard Reismann
- Herausgeber
- Technische Universität Graz
- Verlag
- Verlag der Technischen Universität Graz
- Ort
- Graz
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-85125-627-7
- Abmessungen
- 20.0 x 25.0 cm
- Seiten
- 334
- Schlagwörter
- Forschungseinrichtung, Universität, Bildung, Krieg, Forschung, TU Graz
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918