Seite - 307 - in „ In diesen schweren Tagen“ - Die Technische Hochschule Graz im Ersten Weltkrieg
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Da es kriegsbedingt in diesem Jahr keine eigene Inaugurationsfeier gab, wähl-
te Rektor Fritz Postuvanschitz diese Gelegenheit, um eine programmatische
Rede zu halten. Diese stellte er unter den Titel „Über Studien-, Berufs- und
Standesfragen der akademischen Technikerschaft“. Es war eine umfassende,
wohl gesetzte Rede, die mehr oder weniger alle Aspekte des Lebens und Wir-
kens der damaligen Techniker beleuchtete, die die jungen, angehenden Akade-
miker aber auch aufforderte, ihre Rolle in der Gesellschaft wahrzunehmen und
dafür zu sorgen, dass die Wissenschaft und der Fortschritt gefördert würden.
Insbesondere monierte Postuvanschitz, dass der Absolvent als Vorgesetzter
sich ein richtiges Urteil über die Leistungsfähigkeit und die Ansprüche seiner
Mitarbeiter bilden sollte, weil er nur dann auch der sozialen Kulturaufgabe, an
der sittlichen, geistigen und materiellen Hebung des Arbeiterstandes mitzu-
wirken, gerecht werden kann.
Und dann kam Rektor Postuvanschitz auf die aktuelle Diskussion rund um
den Schutz des Ingenieurtitels zu sprechen. Er tat dies mit den Worten:
Diesen unstreitbaren sozialen Pflichten sollte aber auch die Anerkennung so-
zialer Rechte - ich meine die in jeder Richtung gebührende gesellschaftliche
Gleichstellung mit älteren akademischen Berufsständen - entsprechen. Wenn
der Ingenieur aus rein demokratischen Gründen keinen gesicherten Titel an-
streben oder ihn auch anderen Berufskreisen zubilligen würde, die - Ausnah-
men bestätigen die Regel! - nicht auf gleicher Höhe allgemeiner und fachlicher
Bildung stehen, dann würde er allein sich außerhalb der jetzt hier leider noch
vorherrschenden Gesellschaftsordnung stehen. Heute gilt bei uns im Allge-
meinen nur jener etwas, dem, durch ein äußeres Zeichen seiner geistigen Aus-
bildung oder seiner Stellung im öffentlichen Leben ein entsprechender Grad
gesellschaftlicher Anerkennung zugebilligt wird. Der Schutz des Ingenieurti-
tels wird, über diese mehr persönliche Bedeutung aber noch weit hinausgrei-
fend, die notwendige, erhöhte Wertschätzung unseres ganzen Standes und
der technischen Arbeit zur Folge haben. Alle Anzeichen deuten darauf hin, daß
auch die akademisch gebildeten Techniker bald den gebührenden Platz an der
Sonne erhalten sollen. Ein namhafter Anteil an diesem Wandel zum besseren
fällt dem ehemaligen Professor unserer Hochschule, Hofrat v. Kraft zu; diesem
treuen, unerschrockenen Kämpfer für die Anerkennung technischer Arbeit ge-
bührt uneingeschränkt aufrichtiger Dank unseres Standes.594
Was unter Kaiser Franz Josef über Jahrzehnte aus verschiedensten Gründen
nicht möglich gewesen war, geschah nun während des Ersten Weltkrieges un-
ter dem neuen Kaiser Karl I. und dem amtierenden Ministerpräsidenten Hein-
rich Clam-Martinic: Der gesetzliche Schutz der Standesbezeichnung „Ingeni-
594 Fritz POSTUVANSCHITZ: Über Studien-, Berufs- und Standesfragen der akademischen
Technikerschaft, Immatrikulationsrede, gehalten am 7. Dezember 1916, Graz 1917.
„ In diesen schweren Tagen“
Die Technische Hochschule Graz im Ersten Weltkrieg
- Titel
- „ In diesen schweren Tagen“
- Untertitel
- Die Technische Hochschule Graz im Ersten Weltkrieg
- Autor
- Bernhard Reismann
- Herausgeber
- Technische Universität Graz
- Verlag
- Verlag der Technischen Universität Graz
- Ort
- Graz
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-85125-627-7
- Abmessungen
- 20.0 x 25.0 cm
- Seiten
- 334
- Schlagwörter
- Forschungseinrichtung, Universität, Bildung, Krieg, Forschung, TU Graz
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918