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Andrea Di Michele
diesen Jahren gab Franz Gschnitzer, Jurist an der Universität Innsbruck und
von 1956 bis 1961 Staatssekretär für Südtirol-Angelegenheiten, ein Heft her-
aus, in dem er die italienische Politik in Südtirol heftig kritisierte. Italien hän-
ge laut Gschnitzer immer noch der Entnationalisierungstheorie des Trentiner
Nationalisten Ettore Tolomei an, dessen Geist weiter fortlebe11.
Eine italienische Antwort lieferten vor allem einige Journalisten, die
Rom vorhielten, gegenüber den Südtiroler Forderungen zu nachgiebig zu sein
und somit die italienische Präsenz in den Grenzgebieten aufs Spiel zu setzen.
Ihrer Meinung nach sei auch ein gewisser ideologischer Extremismus unter
den deutschsprachigen Minderheiten in der Provinz Bozen zu verzeichnen,
der sich wie ein beunruhigender „schwarzer Faden“ durchziehe und vom
Pangermanismus zum Terrorismus führe12. Es lagen auch ausgewogenere
und weniger einseitige journalistische Analysen vor13. Das Gros bildeten je-
doch nach wie vor die nationalistischen Stellungnahmen, die darauf ausge-
richtet waren, Österreich auf seine Vorwürfe gegenüber Italien zu antworten.
Wie im journalistischen Feld, so bleibt die Situation auch im Bereich
der Historiografie unverändert. Federführend ist hier wieder Carlo Battisti,
der das Buch „L’Alto Adige nel passato e nel presente“ veröffentlichte. In die-
sem wird in Anlehnung an viele andere Veröffentlichungen, die während des
Faschismus erschienen, versucht, in unterschiedlichen Bereichen – sei es in
der Geschichte, in der Kultur, sei es bei Ortsnamen oder sogar bei der Vege-
tation – auf die italienischen Wurzeln Südtirols hinzuweisen14. Die Reaktion
aus Tirol ließ nicht lange auf sich warten. So wurde 1965 das Buch „Südtirol
– eine Frage des europäischen Gewissens“ von Franz Huter, Historiker an
der Universität Innsbruck mit eindeutig nationalsozialistischer Vergangen-
11 Franz Gschnitzer, Der Geist Tolomeis. Vierzig Jahre italienische Politik in Südtirol
(Innsbruck [1960]).
12 Renato Cajoli, Alto Adige addio! (Milano 1967); Vittorio Lojacono, Alto Adige Süd-
tirol. Dal pangermanesimo al terrorismo (Milano 1968).
13 In erster Linie sei auf die Artikel von Umberto Segre in den Zeitungen „Il Giorno“
und „Il Ponte“ hingewiesen. Diese befinden sich alle in Umberto Segre, La questione dell’Al-
to Adige (Roma 2006 ). Zu der Reaktion in Italien auf den Südtiroler Terrorismus in den
1960er-Jahren siehe Carlo Romeo, Il confine sotto attacco. La „Notte dei Fuochi“ nella storio-
grafia e pubblicistica italiana, in: Storia e regione / Geschichte und Region 20:1 (2011) 122 ff.
14 L’Alto Adige nel passato e nel presente, hrsg. von Carlo Battisti (Firenze 1963).
Die schwierige Versöhnung
Italien, Österreich und Südtirol im 20. Jahrhundert
- Titel
- Die schwierige Versöhnung
- Untertitel
- Italien, Österreich und Südtirol im 20. Jahrhundert
- Autoren
- Andrea Di Michele
- Andreas Gottsmann
- Luciano Monzali
- Herausgeber
- Karlo Ruzicic-Kessler
- Verlag
- Bozen-Bolzano University Press
- Ort
- Bozen
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-SA 4.0
- ISBN
- 978-88-6046-173-5
- Abmessungen
- 16.0 x 23.0 cm
- Seiten
- 616
- Schlagwörter
- 20. Jahrhundert, Österreich, Südtirol, Italien, Geschichte
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918