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Andrea Di Michele
Dass es weiterhin schwierig war, sich mit historischen Themen der jüngs-
ten Jahre zu befassen, zeigt eine Publikation über die Geschichte Südtirols
zwischen 1918 und 1946. Verfasst wurde der Band von Umberto Corsini,
Historiker aus Trient und Professor an der Universität Venedig, gemeinsam
mit Rudolf Lill, einem deutschen Historiker, der lange am Deutschen Histo-
rischen Institut in Rom aktiv war. 1975 forderte der Südtiroler Landtag die
Landesregierung auf, anlässlich des 30-jährigen Jubiläums der Befreiung Ita-
liens „eine wissenschaftliche Studie über die Geschichte und Auswirkungen
des Faschismus und Nationalsozialismus in Südtirol auszuarbeiten und zu
veröffentlichen“30. Ziel war es, den Bürgern und Bürgerinnen eine Aufarbei-
tung der Vergangenheit durch zwei „unbefangene“ Historiker zu bieten, die
jeweils als Ausdruck der italienischen und der deutschen Welt endlich alte
Vorurteile überwinden und damit zur Entwicklung der lokalen Gesellschaft
beitragen würden. Es vergingen allerdings mehrere Jahre: Erst 1981 beauf-
tragte man die zwei Wissenschafter mit der Publikation, die 1988 erschien31.
Das Endergebnis entsprach jedoch nicht dem ursprünglichen Leitprinzip des
Projekts. Das gemeinsame Werk der beiden Historiker, die als Vertreter der
jeweiligen Historiografien und Sprachgemeinschaften fungierten, zeigten
doch, wie weit die Meinungen noch auseinandergingen. In diesem Band prä-
sentierten die beiden Autoren die eigenen Kapitel in zwei verschiedenen Ein-
leitungen – und kritisierten sich gegenseitig. Laut Lill habe der Kollege die ita-
lienische Politik in Südtirol vor der Zeit des Faschismus zu mild bewertet. Er
drückte außerdem seine Bedenken über die Art und Weise aus, wie der Autor
das Thema der Operationszone Alpenvorland ausgearbeitet hatte32. Corsini
hingegen war der Ansicht, Lills Arbeit sei nicht frei von „kursorischen Inter-
pretationen“. Er behauptete zudem: „Der Dissens wird noch größer bei der
Darstellung der Geschichte des Trentino, als ob dieses Land seit jeher mit Ti-
Italienisch (Cappelli, Bologna) neu veröffentlicht. Die Herausgeber sind Maddalena Guiotto
und Stefan Malfèr, die das letzte Kapitel über die Jahre nach 1945 aktualisiert haben.
30 Vorwort zu Umberto Corsini, Rudolf Lill, Südtirol 1918–1946 (Bozen 1998) 4.
31 Dazu siehe Hartungen, Le ricerche di storia locale 87.
32 Dazu siehe Corsini, Lill, Südtirol 7. Man warf Corsini vor, er hätte in seiner Publika-
tion den Faschismus als Modernisierungselement des wirtschaftlich rückständigen Südti-
rols untersucht. Dazu siehe Hans Heiss, Regionale Zeitgeschichten. Zur Differenzierung der
zeithistorischen Forschung Tirols und Südtirols seit 1986, in: Geschichte und Region/Storia e
regione 5:1–2 (1996) 267 ff.
Die schwierige Versöhnung
Italien, Österreich und Südtirol im 20. Jahrhundert
- Titel
- Die schwierige Versöhnung
- Untertitel
- Italien, Österreich und Südtirol im 20. Jahrhundert
- Autoren
- Andrea Di Michele
- Andreas Gottsmann
- Luciano Monzali
- Herausgeber
- Karlo Ruzicic-Kessler
- Verlag
- Bozen-Bolzano University Press
- Ort
- Bozen
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-SA 4.0
- ISBN
- 978-88-6046-173-5
- Abmessungen
- 16.0 x 23.0 cm
- Seiten
- 616
- Schlagwörter
- 20. Jahrhundert, Österreich, Südtirol, Italien, Geschichte
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918