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Die schwierige Versöhnung - Italien, Österreich und Südtirol im 20. Jahrhundert
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23 Die italienische Führungsschicht und die Entstehung der österreichischen Republik der Verlierer befände. So zeichneten sich für De Martino vollkommen unter- schiedliche und teilweise sogar gegensätzliche Szenarien ab, die sich aber alle um die Zukunft Wiens drehten. Würde die Entente gewinnen, so sollte Italien von der Niederlage und vom Zusammenbruch des Habsburgerreiches profitie- ren, um die englisch-französisch-russische Allianz zu unterstützen und sich somit eine Vormachtstellung im Adriaraum zu sichern; hätten sich dagegen die Mittelmächte als Sieger durchgesetzt oder einen Kompromissfrieden ab- geschlossen, sollte sich Italien auch mit wenigen Zugeständnissen zufrieden- geben, wohl wissend, dass Österreich nur noch ein sterbendes Land war und dessen Existenz nur provisorisch war, und dass die Erfüllung der italienischen For- derungen im Adriaraum nur ein abgekartetes Spiel gewesen wäre und zwar ein Spiel, das Italien nach der künftigen unvermeidlichen Auflösung der Donaumonarchie ge- wonnen hätte3. Als Sidney Sonnino zum neuen Außenminister ernannt wurde, änderte sich die Perspektive. Der aus der Toskana stammende Politiker war fest davon überzeugt, dass eine Entscheidung nicht mehr lange aufgescho- ben werden konnte. So beschloss er, mit den Mittelmächten das Thema der Kriegsablöse wieder aufzugreifen und bei Nichterreichen eines Abkommens eine Lösung mit der Entente zu verhandeln. Im April 1915 unterzeichnete man den Londoner Vertrag, aufgrund dessen Italien das Trentino, Südtirol, Julisch-Venetien mit ganz Istrien sowie den südlichen Teil Dalmatiens und ei- nen Großteil der ostadriatischen Inseln von den neuen Alliierten der Entente zugesprochen bekam. Laut Sonnino war Italien angesichts dieser Entschei- dung daher nicht mehr gezwungen, eine eindeutige Haltung hinsichtlich der 3 Siehe dazu beide Berichte, die De Martino für Sonnino jeweils am 30. November 1914 und am 9. Jänner 1915 verfasste und die in Sonninos Archiv in Montespertoli aufbewahrt werden (Mikrofilme beim Archivio Centrale dello Stato, Rom), Filmspule 47. Interessant ist die Argumentation De Martinos über die Möglichkeit, den Ausgang des Konflikts abzu- warten, bevor man sich auf die eine oder andere Seite stellt: Ich bin mir dessen bewusst, dass diese Richtlinie als feiges Benehmen abgestempelt wird und dass es viel würdiger und lobenswerter wäre, sich mit den Mittelmächten in guten sowie in schlechten Zeiten zu verbinden bzw. unsere Kräfte für die Entente zu bündeln und dabei deren Schicksal und Risiken zu teilen. Allerdings kann die Regierung Italiens unter den bestehenden ökonomischen, sozialen, politischen und mili- tärischen Umständen dieses Risiko und diese Verantwortung auf sich nehmen? Wir könnten aus Loyalitätsgründen dem Deutschen Kaiserreich das bestätigen, was der Markgraf von San Giuliano bereits in Aussicht gestellt hatte und zwar dass bei einer Niederlage und Auflösung des öster- reichisch-ungarischen Reichs Italien gezwungenermaßen in den Krieg einziehen müsste, um die unter der Monarchie stehenden italienischen Gebiete zu erobern und zu besetzen und diese vor der slawischen Besetzung zu retten, welche Italiens Interessen und Bestrebungen für immer ein Ende setzen würde. (Übers. d. Verf.)
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Die schwierige Versöhnung Italien, Österreich und Südtirol im 20. Jahrhundert
Titel
Die schwierige Versöhnung
Untertitel
Italien, Österreich und Südtirol im 20. Jahrhundert
Autoren
Andrea Di Michele
Andreas Gottsmann
Luciano Monzali
Herausgeber
Karlo Ruzicic-Kessler
Verlag
Bozen-Bolzano University Press
Ort
Bozen
Datum
2020
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-SA 4.0
ISBN
978-88-6046-173-5
Abmessungen
16.0 x 23.0 cm
Seiten
616
Schlagwörter
20. Jahrhundert, Österreich, Südtirol, Italien, Geschichte
Kategorien
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