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Francesco Caccamo
dafür waren die Ereignisse von 1916 bis 1917, als die Alliierten beschlossen,
durch verschiedene Kontakte (wie über den belgischen Prinzen Sixtus von
Bourbon-Parma) die Möglichkeit eines Separatfriedens mit dem Habsburger-
reich in Erwägung zu ziehen. Damit waren sowohl die Auflösung der Monar-
chie als auch deren territoriale Umgestaltung für die Alliierten kaum akzep-
tabel. Da die Gefahr bestand, dass dadurch das mit dem Londoner Vertrag
festgelegte Programm zunichtegemacht würde, setzte sich Sonnino für eine
Auflösung des Habsburgerreiches ein: l’Italie […] veut la décomposition de l’Au-
triche […]. Seulement après la defaite totale de l’Austriche et sa décomposition elle
aurait pensée à examiner les limites de ses exigeances7. So Sonnino anlässlich der in
S. Jean de Maurienne stattfindenden Konferenz. Als man im Frühling/Som-
mer 1918 die Nichtumsetzbarkeit eines Separatfriedens feststellte, wechselten
die Entente-Alliierten und die assoziierte Macht, die USA, ihren politischen
Kurs weitgehend. Sie beschlossen eine Spaltung zu provozieren und dabei
den Nährboden für nationalistische Bewegungen zu bereiten. In diesem Zu-
sammenhang hielt es Sonnino für angebracht, vorsichtig zu agieren, da er
zusehends besorgt war, dass ein Großteil der östlichen Adriaküste einem ge-
einten südslawischen Staat zugeschlagen werden könnte. Aus diesem Grund
wehrte er sich gegen jene Initiativen, die die südslawische Unabhängigkeit
als eines der Kriegsziele der Entente anstrebten8.
Hinzu kam noch, dass die von Sonnino befolgte Leitlinie nicht die
einzige war, entlang derer sich die italienische Politik in Bezug auf Österreich
bewegte.
diale (Brescia 1992).
7 Memorandum o.u. und o.d. [Ende 1917–Anfang 1918 verfasst, nach der Isonzosch-
lacht], in: Archivio Sonnino di Montespertoli, Spule 47.
8 Über die Opposition Sonninos gegen die jugoslawische Bewegung (und auch gegen
die tschechische) ist vor allem die in dieser Fußnote angeführte Literatur aufschlussreich.
Sonnino vertrat seinen Standpunkt deutlich bei einer Sitzung des Ministerrats vom 7.–8. Sep-
tember 1918, in: Sidney Sonnino, Diario, Bd. 3, hrsg. von Benjamin F. Brown und Pietro Pas-
torelli (Bari 1972) 294–298. Bei dieser Sitzung behauptete der italienische Außenminister,
er habe grundsätzlich nichts gegen die Vorschläge, die sein Amtskollege Leonida Bissolati
zugunsten der Jugoslawen unterbreitet hatte.
Diese wären aber für ihn keine Garantie dafür, dass der Friedensschluß ohne die Vernichtung des
österreichisch-ungarischen Staates als unabdingbare Voraussetzung erfolgen würde […]. Etwas den
Vorzug zu geben ist anders als etwas zu garantieren. Um seine Argumentationen zu unter-
mauern, verwies er außerdem auf seine Einstellung bezüglich der Zukunft des Habsburger-
reiches: Im Londoner Vertrag sind weder der Fortbestand noch der Zerfall Österreich-Ungarns
festgeschrieben. Auch dort, wo gewisse Verzichtselemente erwähnt werden, werden Formulierung
angewandt, die weder das Eine noch das Andere besagen. (Übers. d. Verf.)
Die schwierige Versöhnung
Italien, Österreich und Südtirol im 20. Jahrhundert
- Titel
- Die schwierige Versöhnung
- Untertitel
- Italien, Österreich und Südtirol im 20. Jahrhundert
- Autoren
- Andrea Di Michele
- Andreas Gottsmann
- Luciano Monzali
- Herausgeber
- Karlo Ruzicic-Kessler
- Verlag
- Bozen-Bolzano University Press
- Ort
- Bozen
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-SA 4.0
- ISBN
- 978-88-6046-173-5
- Abmessungen
- 16.0 x 23.0 cm
- Seiten
- 616
- Schlagwörter
- 20. Jahrhundert, Österreich, Südtirol, Italien, Geschichte
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918