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Nach 1918
Die schwierige Versöhnung - Italien, Österreich und Südtirol im 20. Jahrhundert
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28 Francesco Caccamo Kennzeichnend für die Nationalitätenpolitik war die Tatsache, dass von An- fang an der Kampf gegen Österreich und der Kampf gegen die als unent- schlossen und konservativ stigmatisierte Politik Sonninos Hand in Hand gingen. Die „antiösterreichischen“ und die „antisonninischen“ Aspekte nährten sich gegenseitig, und sie waren schließlich so eng miteinander ver- flochten, dass sie austauschbar wurden. Dafür könnte man zahlreiche Bei- spiele nennen, aber es genügt, hier stellvertretend die Worte des damaligen Korrespondenten des „Corriere della Sera“ aus London, Guglielmo Emanuel, in einem Schreiben an Albertini aus dem Sommer 1918 zu zitieren. In nur wenigen Zeilen kritisiert er vehement die tragische Regungslosigkeit seitens der Consulta gegenüber Österreich und überhäufte gleichzeitig Sonnino mit her- abwürdigenden Bezeichnungen: Sonnino habe die widerliche Mentalität eines Reaktionärs und sei der kurzsichtige Lenker unseres Schicksals, ein großer Eunuch für unsere Auslandspolitik10. Diese Wutausbrüche beschränkten sich aber nicht nur auf die Privatsphäre Sonninos: Zur selben Zeit startete der „Corriere“ eine Kampagne mit dem klaren Ziel, Sonnino zum Rücktritt zu zwingen und die Kriegsziele Italiens mehr oder weniger im antihabsburgischen Sinne neu zu deklinieren11. Gegen Kriegsende spitzten sich die Kontraste zwischen der Diploma- tie Sonninos und den Verfechtern der Nationalitätenpolitik massiv zu. Sonn- ino fühlte sich von der nun absehbaren Auflösung des Habsburgerreichs überrumpelt und glaubte nicht daran, dass Österreich ohne seine alten Do- nauländer, jedoch mit einer großen deutsch-österreichischen Bevölkerung tatsächlich seine Unabhängigkeit aufrechterhalten und sich der Anziehungs- 10 Emanuel an Albertini, 17. August 1918, in: Albertini, Epistolario, II 960–970 (doc. 862). Salvemini machte sogar einige schwerwiegende Bemerkungen über Sonninos jüdische Ab- stammung. Diese wurden aber generell von der italienischen Historiografie vernachlässigt. So schrieb er zum Beispiel am 6. August 1918 an Ugo Ojetti, in Salvemini, Carteggio, VII, doc. 401: Antisemit bin ich nicht; unter meinen besten Freunden sind sogar ein paar Juden dabei; aber wenn ich einem Juden wie Sonnino begegne, dessen Typ eben nur bei Juden zu finden ist, dann würde ich am liebsten mein Haus überall mit Kruzifixen ausstatten. Und noch am 24. September:, Ebd. doc. 407: solange der Jude bleibt, wird sich nichts ändern. (Übers. d. Verf.) 11 Es gab weitere Gründe, weshalb eine Kampagne gegen Sonnino gestartet wurde: Einerseits sollten die Verfechter der „Nationalitätenpolitik“ damit gegen die offizielle Dip- lomatie unterstützt werden. Andererseits wollte man damit die Ernennung Albertinis zum Außenminister bezwecken. So der damalige Leiter des „Corriere“ Ugo Ojetti, der vermutlich stärkste Verfechter dieser Kampagne: Agli Esteri dovresti andare tu: Albertini, Epistolario, II, doc. 851.
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Die schwierige Versöhnung Italien, Österreich und Südtirol im 20. Jahrhundert
Titel
Die schwierige Versöhnung
Untertitel
Italien, Österreich und Südtirol im 20. Jahrhundert
Autoren
Andrea Di Michele
Andreas Gottsmann
Luciano Monzali
Herausgeber
Karlo Ruzicic-Kessler
Verlag
Bozen-Bolzano University Press
Ort
Bozen
Datum
2020
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-SA 4.0
ISBN
978-88-6046-173-5
Abmessungen
16.0 x 23.0 cm
Seiten
616
Schlagwörter
20. Jahrhundert, Österreich, Südtirol, Italien, Geschichte
Kategorien
Geschichte Nach 1918
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