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Francesco Caccamo
dass es besser wäre, die Alliierten, die sich vergeblich alles andere erhoffen, nicht mit
widersprechenden Argumenten zu irritieren18.
Ganz offensichtlich war Sonnino nicht in diese Debatte eingebunden
gewesen. In ihm sah der „Corriere“ nach wie vor die Verkörperung aller Übel,
unter denen die italienische Außenpolitik litt. Vieles deutet darauf hin, dass
der Leiter der Consulta weiterhin an seiner Meinung, die er am Vorabend der
Pariser Konferenz geäußert hatte, festhielt. Er zweifelte an der Überlebensfä-
higkeit des neuen Staates Österreich und bekräftigte, dass die Festlegung ei-
ner strategischen Grenze an der Wasserscheide in den Alpen die einzige Ga-
rantie gegen die nahezu fatale Bedrohung durch Deutschland sei. Abgesehen
von allen Spekulationen stand doch eines fest: Die von Albertini und seinen
Mitarbeitern in die Welt gesetzten Gerüchte, wonach die antijugoslawischen
Maßnahmen von Sonnino der Förderung einer Donauföderation dienen soll-
ten, entbehrten jeder Grundlage19. In Wirklichkeit waren die Ängste des Lei-
ters des „Corriere“ und seiner Mitarbeiter unbegründet. Wie bereits an ande-
rer Stelle ausführlich beschrieben, beschloss Sonnino angesichts der starken
Spannungen nach dem Krieg zwischen Italien und dem neu gegründeten
Königreich SHS, davon zu profitieren, dass einige südslawischen Gruppen
über die Handhabung des Vereinigungsprozesses nicht besonders glücklich
waren, um seinen Handlungsspielraum zu erweitern. Seine Absicht war es
allerdings nicht, durch die von ihm ergriffenen Maßnahmen zur Entstehung
eines mitteleuropäischen Gebildes als Nachfolgestaat der Habsburgermonar-
chie beizutragen20.
Dem kann nicht viel hinzugefügt werden, zumal die erste echte Debat-
te über das Schicksal Österreichs anlässlich der Friedenskonferenz zum glei-
chen Zeitpunkt stattfand, als die italienische Delegation aus Paris aufgrund
der adriatischen Krise Ende April 1919 zurückbeordert wurde. Unter diesen
Umständen ergriff der französische Ministerpräsident Anfang Mai die Ini-
tiative und forderte, dass der mit Deutschland abgeschlossene Friedensver-
18 Pirelli an Albertini, 12. April 1919, Ebd. 1216 f. (doc. 1021).
19 Wie Albertini ohne Scheu behauptete, Sonnino unterstützt tatkräftig den Wiederaufbau
der Donauföderation. Er ist also gegen all das, was richtig und vorteilhaft für uns ist (Übers. d.
Verf.). Albertini an Emanuel, 16. April 1919, Ebd. 1221 f. (doc. 1025). Siehe dazu auch Amen-
dola an Albertini, 27. Jänner 1919, in: Amendola, Carteggio IV doc. 11.
20 Francesco Caccamo, Il sostegno italiano all’indipendentismo croato, in: Nuova Storia
Contemporanea 7/6 (2004) 23–56.
Die schwierige Versöhnung
Italien, Österreich und Südtirol im 20. Jahrhundert
- Titel
- Die schwierige Versöhnung
- Untertitel
- Italien, Österreich und Südtirol im 20. Jahrhundert
- Autoren
- Andrea Di Michele
- Andreas Gottsmann
- Luciano Monzali
- Herausgeber
- Karlo Ruzicic-Kessler
- Verlag
- Bozen-Bolzano University Press
- Ort
- Bozen
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-SA 4.0
- ISBN
- 978-88-6046-173-5
- Abmessungen
- 16.0 x 23.0 cm
- Seiten
- 616
- Schlagwörter
- 20. Jahrhundert, Österreich, Südtirol, Italien, Geschichte
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918