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Alcide De Gasperi und die österreichische Politik vom Reich bis zum „Anschluss“
schaft einzugliedern und sie mit ihrer Präsenz zu prägen5. Es waren dies für
die katholischen Organisationen im Trentino Jahre bedeutender wirtschaft-
licher, kultureller, sozialer und politischer Entwicklungen. Die Kooperation
im Trentino wurde zu einer der effizientesten Antworten auf die sozioökono-
mische Krise des späten 19. Jahrhunderts, auch wenn sie in der Anfangsphase
weniger ausgeprägt als im deutschen Tirol war6.
In einem Artikel, der sich der Christlich-sozialen Arbeit in Italienisch-Süd-
tirol widmete und in einer Sonderausgabe der „Reichspost“, die am 1. Jänner
1904 anlässlich des 10. Jubiläums der Gründung der Wiener christlich-sozia-
len Tageszeitung publiziert wurde, betont De Gasperi, dass es im Trentino
eine mächtige christlich-soziale Bewegung gebe, die sich in den vorhergegange-
nen zehn Jahren entwickelt und die ihren praktischen Ausdruck in einer imposan-
ten, das ganze Land umfassenden Volksorganisation gefunden habe. In den ande-
ren Ländern der Habsburgermonarchie, so erklärte De Gasperi, hatte
die christlich-soziale Idee zunächst eine politische Partei befruchtet, welche
sich vornahm, durch die Gesetzgebung die Sozialreform zu fördern; dieser
Vorgang war bei uns unmöglich, nachdem das ganze politische Leben durch
den nationalen Kampf vergiftet und die gesetzgebenden Körperschaften zum
Stillstande gebracht worden waren.
Man wollte auf sozialem Gebiet vor allem mit den Genossenschaften zusam-
menarbeiten, und auf diesem Gebiete haben auch die Christlich-Sozialen des Trenti-
no Großes geleistet. De Gasperi berichtete von der Entwicklung der Genossen-
5 Zur Enzyklika siehe ebenfalls Alcide De Gasperi, I tempi e gli uomini che prepararono
la „Rerum Novarum“ (Milano 1984) (die erste Auflage erschien 1928 unter dem Pseudonym
M. Zanatta, 1931 dann bei dem Verlag Vita e Pensiero in Mailand), nun auch in: Alcide De
Gasperi, Scritti e discorsi politici, Bd. II/2: Alcide De Gasperi dal Partito popolare italiano
all’esilio interno 1919–1942, hrsg. von Mariapia Bigaran und Maurizio Cau (Bologna 2007)
1637–1728; außerdem: I tempi della Rerum Novarum, hrsg. von Gabriele De Rosa (Soveria
Mannelli 2003); zum Wandel im germanischen Gebiet siehe Il cattolicesimo politico e sociale
in Italia e Germania dal 1870 al 1914, hrsg. von Ettore Passerin d’Entrèves, Konrad Repgen
(= Annalen des italienisch-deutschen historischen Instituts in Trient 1, Bologna 1977).
6 Zur Entwicklung der Kooperation des Trentino siehe Andrea Leonardi, Prime espe-
rienze associative dei lavoratori cattolici trentini tra Ottocento e Novecento, in: Studi trentini
di scienze storiche I/58 (1979) 451–505; Ders, Wirtschaftskrise und genossenschaftliche Or-
ganisation im südlichen Tirol gegen Ende des 19. Jahrhunderts, in: Geschichte und Region/
Storia e regione 2 (1993) 81–126; Ders., La cooperazione: da un esordio difficile a uno sviluppo
prorompente, in: L’età contemporanea 1803–1918, hrsg. von Garbari, Leonardi 779–815.
Die schwierige Versöhnung
Italien, Österreich und Südtirol im 20. Jahrhundert
- Titel
- Die schwierige Versöhnung
- Untertitel
- Italien, Österreich und Südtirol im 20. Jahrhundert
- Autoren
- Andrea Di Michele
- Andreas Gottsmann
- Luciano Monzali
- Herausgeber
- Karlo Ruzicic-Kessler
- Verlag
- Bozen-Bolzano University Press
- Ort
- Bozen
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-SA 4.0
- ISBN
- 978-88-6046-173-5
- Abmessungen
- 16.0 x 23.0 cm
- Seiten
- 616
- Schlagwörter
- 20. Jahrhundert, Österreich, Südtirol, Italien, Geschichte
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918