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Maddalena Guiotto
Christdemokraten Österreichs seien19. Pattai war für seine elegante Ausdrucks-
weise bekannt. Die Komplexität der Wege, die zur Gründung der österreichi-
schen christlich-sozialen Bewegung geführt hatten, spiegelt sich in seiner po-
litischen Karriere. Nach seinem politischen Debüt im Jahr 1882 neben Georg
von Schönerer als Präsident des Wiener Reformvereins, der die Kleinhand-
werker und -kaufleute repräsentierte und eine ausgeprägte antiliberale und
antisemitische Richtung vertrat, setzte Pattai seine Karriere an der Seite von
Karl Lueger fort20. Er gehörte zu den eifrigsten Teilnehmern der sogenann-
ten „Entenabende“ (der Name geht auf den Ort des Treffens, dem Restaurant
„Goldene Ente“ in der Riemergasse, zurück). Im Mittelpunkt der 1888 von
Franz Martin Schindler, Professor für Moraltheologie, und Karl von Vogel-
sang initiierten dienstags stattfindenden Diskussionsabende stand die sozia-
le Frage, einhergehend mit einer grundlegenden Kritik am Kapitalismus. Im
Rahmen dieser Zusammenkünfte wurde unter anderem ein erstes Programm
der christlich-sozialen Partei ausgearbeitet, in deren Reihen Pattai bis 1911 im
Reichstag saß21.
Über die italienische akademisch-katholische Verbindung, die mit den
akademisch-katholischen Verbindungen des Cartell Verbandes (CV) – insbe-
sondere der „Norica“ – Austausch pflegte, kam De Gasperi mit dem Kreis
der Politiker und Intellektuellen in Kontakt, die Karl Lueger nahestanden.
Friedrich Funder, Herausgeber der „Reichspost“, erinnerte 1933 daran, dass
zu Beginn des 20. Jahrhunderts die katholischen österreichisch-deutschen
Verbindungen in freundschaftlicher Beziehung zu der italienischen katholi-
schen gestanden und deren Treffen und Veranstaltungen beigewohnt hatten.
Zudem betonte er, die wichtigste Persönlichkeit der italienischen Verbindung
sei „der Germanist Degasperi [gewesen], ein Südtiroler, Journalist in Trient,
der 1911 in die österreichische Abgeordnetenkammer gewählt wurde und
nach dem ‚Umsturz‘ ein tragisches Schicksal als italienischer Abgeordneter
19 Fortis [De gasperi], La nostra storia, Bd. 5. (Übers. d. Verf.)
20 Reinhold Knoll, Zur Tradition der christlichsozialen Partei. Ihre Früh- und Entwick-
lungsgeschichte bis zu den Reichsratswahlen 1907 (Wien–Köln–Graz 1973) 174; Boyer, Cul-
ture and Political Crisis 10, 33, 62.
21 Zu den „Entenabenden“ siehe Friedrich Funder, Vom Gestern ins Heute. Aus dem
Kaiserreich in die Republik (Wien 1952) 114–120; Knoll, Zur Tradition der christlichsozialen
Partei 169–172, 191–193; Boyer, Political Radicalism 174.
Die schwierige Versöhnung
Italien, Österreich und Südtirol im 20. Jahrhundert
- Titel
- Die schwierige Versöhnung
- Untertitel
- Italien, Österreich und Südtirol im 20. Jahrhundert
- Autoren
- Andrea Di Michele
- Andreas Gottsmann
- Luciano Monzali
- Herausgeber
- Karlo Ruzicic-Kessler
- Verlag
- Bozen-Bolzano University Press
- Ort
- Bozen
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-SA 4.0
- ISBN
- 978-88-6046-173-5
- Abmessungen
- 16.0 x 23.0 cm
- Seiten
- 616
- Schlagwörter
- 20. Jahrhundert, Österreich, Südtirol, Italien, Geschichte
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918