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Spital als Lebensform - Österreichische Spitalordnungen und Spitalinstruktionen der Neuzeit, Band 1
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1. Spitäler in der Vormoderne – ein knapper Überblick 33 die Frage, welche Aspekte in den Ordnungen nicht geregelt wurden bzw. werden konn- ten und was möglicherweise einer mündlichen Tradition unterlag und teilweise erst viel später aufgezeichnet wurde16. Von Ausnahmen abgesehen endete die Fürsorgepflicht des Spitals an den Grenzen der Kommune, außer ein/e Pfründner/in konnte es sich leisten, einen überdurchschnittlichen Beitrag für die Aufnahme zu bezahlen17; dennoch waren diese Einrichtungen wahrlich „keine Eldorados für sozial beeinträchtigte Personen“18. Die „Befüllung“ eines „freien Platzes“ mit einem Menschen im Spital lässt sich nach Ansicht des Soziologen und Historikers Carlos Watzka auch als kulturelle Praxis nachzeichnen. So führt er als Beispiel die in der Frühen Neuzeit weit verbreitete Vorschrift an, dass den im Haus ankommenden Frauen und Männern die Füße zu waschen seien, eine traditionelle Demutsgeste der christlichen Religion, deren Durchführung für den Waschenden den Erwerb jenseitigen Verdienstes bedeutete19. Um 1500 zählten für Reisende und Stadtbesucher aus dem Umland Spitäler und Lep- rosorien zum allseits vertrauten Stadtbild und eine größere Ansiedlung war ohne eine der- artige Einrichtung kaum denkbar20, in der Anzahl der Häuser spiegelte sich überdies die wirtschaftliche Potenz einer Stadt21. Spitäler der Vormoderne lassen sich im Gegensatz zu den modernen Kliniken22, die keine Alters- oder gar Armutsversorgung mehr bieten (kön- nen), bei festzuhaltender Unschärfe im Detail und im jeweiligen regionalen Spektrum als eine räumlich-bauliche Verortung sozialer Fürsorge verstehen, wobei die Versorgung der Insassen meist länger dauernd war und in der Regel erst mit dem Tod endete. Die Bandbreite der frühneuzeitlichen Spitäler ist dabei beachtlich und reicht von den großen französischen Hôtels-Dieu, dem Pariser Hôtel des Invalides, den Allgemeinen Kranken- häusern der Habsburgermonarchie, den schwimmenden Feldspitälern in Ungarn hin bis zu heute vielfach in Vergessenheit geratenen kleinstädtischen Armenhäusern, Leprosorien und kleinstädtischen Bürgerspitälern. Neben den bereits aus dem Hochmittelalter stam- menden Bürgerspitälern gab es meist für unterbürgerliche Schichten vorgesehene Bruder- und Armenhäuser, vorstädtische Leprosen- und Siechenhäuser sowie Lazarette, zusätzlich bildeten auch die Zucht- und Arbeitshäuser eigene Spitäler aus. Weiter entstanden Syphi- lis- und Pestspitäler, die auf grassierende Epidemien und Infektionsherde mehr oder min- der erfolgreich zu reagieren wussten23. Hinsichtlich der Logik der Raumplatzierung un- terschieden sich Leprosen-, Sondersiechen-, Blatterhäuser und Pestspitäler bezüglich ihrer topographischen Lage deutlich, da diese üblicherweise außerhalb der Siedlungen, meist an einem Flusslauf und in der Nähe einer Straße (Möglichkeit zur Almosensammlung) erbaut wurden. Sie verfügten nach Möglichkeit ferner über eine eigene Wasserversorgung, damit die kranken und damit „unreinen“ Hausbewohner/innen nicht die öffentlichen Brunnen mitbenutzen24. Nach dem Hochmittelalter kam es in der Frühen Neuzeit zu einer weiteren effektiven Welle von Neugründungen, allein im Herzogtum Steiermark 16 Vanja, Orte der Verwahrung 39, 41; Scheutz, Totale Institutionen. 17 Ströbele, „Spittal“ 81, 83, 86, 94. 18 Watzka, Arme, Kranke, Verrückte 53; Weiss, Hund 177. 19 Watzka, Zur Sozialgeschichte 13. 20 Jütte, Arme, Bettler, Beutelschneider 168. 21 Zur Bedeutung der Spitäler für die Städte am Beispiel der Instruktionen Scheutz, Bürgerliche Argusaugen. 22 Scheutz, Persistenz. 23 Scheutz–Weiss, Kein Ort der Armut? 177f. 24 Weiss, Karitativer Stadtraum 447–472.
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Spital als Lebensform Österreichische Spitalordnungen und Spitalinstruktionen der Neuzeit, Band 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Spital als Lebensform
Untertitel
Österreichische Spitalordnungen und Spitalinstruktionen der Neuzeit
Band
1
Autoren
Martin Scheutz
Alfred Stefan Weiß
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2015
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-79639-8
Abmessungen
17.5 x 24.7 cm
Seiten
432
Kategorie
Medizin
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