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34 Das Ordnungsgeflecht in österreichischen Spitälern in der Frühen Neuzeit
stieg beispielsweise die Zahl der Spitäler zwischen 1500 und 1750/55 von geschätzten 61
auf 97 Spitäler25.
Ein genauer Blick auf das Werden der Spitäler lässt die langsame Genese des Bautyps
Spital erkennen, indem die Gebäude oft über lange Zeiträume sukzessiv erweitert – häufig
auch bedingt durch Brände und andere Katastrophen –, andere Häuser angekauft oder
mit dem bestehenden Altbau in Verbindung gesetzt wurden. Das geistliche Zentrum die-
ser Einrichtungen verkörperte unzweifelhaft die Spitalkirche oder die -kapelle, wo die
Bewohner/innen ihre überbordenden Gebetsdienste abzuleisten bzw. abzuarbeiten hatten.
In Altbayern lassen sich folgende Typen festmachen: (1) Ein-Raum-Anlagen, bei denen
Kirchen- und Spitalraum ineinander übergehen (kommt in Altbayern in der Praxis nicht
vor), (2) die Längsanbindung an das Gebäude, (3) Parallelstellung der Spitalgebäude,
wobei sich die Gebäude an eine gemeinsame Längsmauer anlehnen, (4) der gewinkelte
Anschluss, bei dem das Spitalgebäude und die Kirche verwinkelt zu einander stehen, (5)
die räumliche Trennung, bei dem das Spital und die Kirche räumlich separiert stehen, (6)
Hof- und Kreuzganganlage, bei dem sich das Spital um einen viereckigen Hof gruppiert
(z. B. das berühmte Heilig-Geist-Spital in Nürnberg)26. Hinsichtlich der kleinen Einrich-
tungen – diese waren typisch für die österreichischen Klein- und Mittelstädte sowie die
patrimonialen Märkte – dominierte die Einraumanlage bzw. die erwähnte Längsanbin-
dung verschiedener Gebäudeteile oder gewinkelte Anschlüsse27.
Der Aufforderung, „Sag mir, wo die Spitäler sind …“ – so die ungarische Historike-
rin Katalin Szende –, lässt sich aufgrund von Archivverlusten und Forschungslücken nicht
immer mit Treffsicherheit nachkommen, doch war die Platzwahl für die karitativen Bau-
ten in der Regel keinem Zufall überlassen. Der/die private Stifter/in oder die Kommune
spendeten für einen wohltätigen Zweck ein Grundstück oder ein Objekt, wobei der Stadt
meist mehrere Optionen offenstanden. Sollte ein Haus neu errichtet werden, wollten Bür-
germeister und Rat den sozialen Raum kontrollieren und das Gebäude durfte sich nicht zu
weit vom Rathaus entfernt befinden. Die Spitäler bemühten sich gewissermaßen um einen
herausgehobenen Raum, das jeweilige Bürgerspital galt als die vornehmste Einrichtung, die
sich üblicherweise auch in ihrer zentrumsnahen Lage spiegelte28. Nicht nur die Lage war für
die Stadt wesentlich, sondern auch das Aussehen der Anstalt. Bereits der reisende Jurist und
Vorstand der Patriarchatskanzlei in Udine, Paolo Santonino († 1507), hatte in seinen Reise-
tagebüchern der Jahre 1485 bis 1487 die Schönheit der Spitalkapelle in der bambergischen
Stadt Villach in Kärnten gerühmt und auf ihre eindrucksvolle Ausstattung hingewiesen29.
Sofern die finanziellen Ressourcen hinreichend waren, bemühte man sich um ein repräsen-
tatives Gebäude, das zwar den Wohlstand der Stadt oder der Herrschaft vermitteln sollte,
aber überdies zweckgewidmete Räumlichkeiten für die alten Bewohner/innen zuließ30. Als
Beispiel möge das palastartige Hofspital im Markt Spittal (an der Drau, Kärnten) dienen,
welches Gabriel von Salamanca (1489–1539) als Herrschaftsinhaber (1524–1539) an der
Lieserbrücke testamentarisch erbauen ließ31. Dem Aspekt des „Hospitals als Gotteshauses“32
25 Valentinitsch, Armenfürsorge 93–114; Watzka, Arme, Kranke, Verrückte 28f.
26 Braun, Spitalkirchen 173–190; Scheutz–Weiss, Spitäler 228.
27 Mühling, Die Bürgerspitäler in Niederösterreich.
28 Szende, „Sag mir, wo die Spitäler sind …“ 142–144; Weiss, Karitativer Stadtraum 447–472.
29 Egger, Die Reisetagebücher des Paolo Santonino 101; Weiss, Aus Unglück arm geworden 200f.
30 Knefelkamp, Stadt und Spital 32.
31 Meyer, Die Geschichte Spittals 15.
32 Vanja, Offene Fragen 21–23.
Spital als Lebensform
Österreichische Spitalordnungen und Spitalinstruktionen der Neuzeit, Band 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Spital als Lebensform
- Untertitel
- Österreichische Spitalordnungen und Spitalinstruktionen der Neuzeit
- Band
- 1
- Autoren
- Martin Scheutz
- Alfred Stefan Weiß
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79639-8
- Abmessungen
- 17.5 x 24.7 cm
- Seiten
- 432
- Kategorie
- Medizin