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Spital als Lebensform - Österreichische Spitalordnungen und Spitalinstruktionen der Neuzeit, Band 1
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2. Ordnungen als Ausdruck der Verrechtlichung am Beispiel frühneuzeitlicher Spitäler 37 Wurden bisher „Spitallandschaften“ überregional untersucht – es sei nur an die Studie von Michel Pauly erinnert51 oder an die Überblicksarbeiten „Das Hospital am Beginn der Neuzeit“52 und „Europäisches Spitalwesen“53 –, so wurden Spitalordnungen und ver- wandte Quellen kaum zentral abgehandelt54, um darauf aufbauend, eine Sozial-, Kultur- und Wirtschaftsgeschichte der behandelten „Spitalregion“ oder des Staates zu schreiben. Wirft man einen Blick auf Österreich, so bieten lediglich zwei umfangreiche Aufsätze einen Einblick in den spärlichen Forschungsstand und die kaum theorieorientierten Ar- beiten55, die oft nur eine vage Zusammenfassung der lokalen Literatur und im besten Fall einen Einblick in das vorhandene Quellenmaterial bieten. Eine Analyse der Forschungs- ergebnisse und eine Einbettung in die aktuelle Forschungsdebatte fehlen jedoch (meist) gänzlich. Auch wenn sich der Kenntnisstand hinsichtlich der Spitalordnungen inzwischen deutlich vermehrt hat, so ist für Österreich die kenntnisreiche Studie von Carlos Watzka56 eindeutig zu favorisieren, da der Autor im Herzogtum Steiermark (die heutige Steiermark und Teile Sloweniens) knapp 100 Anstalten penibel untersucht hat. Einzig und allein in Wien gab es Spitäler, die dem Vergleich mit den „reichen Vettern“, den Reichsstädten Augsburg oder Nürnberg, standhielten, in den anderen Städten und Märkten dominier- ten in ihrer Dimension überschaubare Einrichtungen, Häuser, die nur selten mehr als 50 Bewohner/innen zählten (so z. B. in Graz, in Salzburg etc.). Watzka, dessen Ergebnisse sich durchaus auch auf andere Regionen übertragen lassen, kommt unter Verwendung steirischer Ordnungen zum Fazit, dass sich seine Klientel aus „Armen, Kranken und Ver- rückten“ auch im Spital bemühte, ein wenig von der bürgerlichen Normalität ihrer Zeit zu bewahren. Er verortet im Haus trotz des sakralen Charakters und der Hausarbeit Frei- räume sowie Kleingruppenbildung. Der vielfach von den Zeitgenossen beklagte Rausch, Sex und andere als sündig betrachtete „Ausschweifungen“ im Spital waren hingegen die Ausnahme57; Gebet, geregeltes Essen und geordneter Tagesablauf der Normalfall. Norm stand neben Abweichung und bewusstem Bruch der Ordnung. 2. Ordnungen als Ausdruck der Verrechtlichung am Beispiel frühneuzeitlicher Spitäler Die Geschichte der Frühen Neuzeit ist neben dem Prozess der Konfessionalisierung58, der Modernisierung, der Säkularisierung und der Staatsbildung59 auch als Prozess der Ver- rechtlichung dargestellt worden. Winfried Schulze60 verortet sein Konzept einer frühneu- zeitlichen Verrechtlichung im Weichbild von Max Webers „okzidentaler Rationalisierung“ (Herstellung von Berechenbarkeiten im politischen, sozialen und wirtschaftlichen Han- und Praxis; Ders., Wirtschaftsführung; Moser, Spital; Dies., Rechnungsbücher; Pollak, Das Schifersche Erb- stift; aus realienkundlicher Sicht Holubec, Bäuerliches Kulturgut. 51 Pauly, Peregrinorum, pauperum ac aliorum transeuntium receptaculum. 52 Das Hospital am Beginn der Neuzeit. 53 Europäisches Spitalwesen. 54 Als europäische Quellenedition hingegen: Quellen zur europäischen Spitalgeschichte. 55 Scheutz–Weiss, Spitäler; grundlegend für das Mittelalter Just–Weigl, Spitäler 149–184. 56 Watzka, Arme, Kranke, Verrückte. 57 Ebd. 111–114. 58 Als kritischer Überblick für die katholischen Länder Hersche, Muße und Verschwendung. 59 Reinhard, Geschichte der Staatsgewalt. 60 Schulze, Einführung 78–82.
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Spital als Lebensform Österreichische Spitalordnungen und Spitalinstruktionen der Neuzeit, Band 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Spital als Lebensform
Untertitel
Österreichische Spitalordnungen und Spitalinstruktionen der Neuzeit
Band
1
Autoren
Martin Scheutz
Alfred Stefan Weiß
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2015
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-79639-8
Abmessungen
17.5 x 24.7 cm
Seiten
432
Kategorie
Medizin
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