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2. Ordnungen als Ausdruck der Verrechtlichung am Beispiel frühneuzeitlicher Spitäler 39
erlassene Gesetze verschiedenster Art, die dem Gemeinnutz als Leitbegriff des Verwal-
tungshandelns verpflichtet sind76. Als zentrale Verwaltungsdokumente angelegt, kombi-
nieren die Ordnungen „straffe Verwaltungshierarchien mit einer differenzierteren Äm-
ter- und Kompetenzgliederung“77. Die im Regelfall auf Steuerung, Nachhaltigkeit und
Effizienzsteigerung abzielenden, in Kontext der normativen Zentrierung78 entstandenen
Ordnungen79 wurden entweder zu Regierungsantritt von Herrschern erstellt oder ent-
standen häufig im Zuge von tatsächlich durchgeführten oder geplanten Reformvorhaben.
Die Ordnungen lassen sich im Kontext von vertikaler (etwa Reichsrecht) und horizonta-
ler (etwa das Recht benachbarter Territorien) Rechtsvereinheitlichung auffassen. Bei der
Erstellung von Ordnungen wurden seit dem Mittelalter inhaltsnahe Vergleichsbeispiele
(etwa aus anderen Städten) als anzunehmende oder abzulehnende Vorlage herangezogen,
so dass man auch im städtischen Bereich von einer stark intertextuell bestimmten Text-
sorte ausgehen muss80. Die den Untertanen meist via Aushang oder auch durch regelmä-
ßiges Vorlesen publizierten Ordnungen des Spätmittelalters und der beginnenden Frühen
Neuzeit sind an der Herstellung und/oder der Wiedererrichtung (im Sinne von Reforma-
tion) von „guter Ordnung“ interessiert.
Während die Ordnungen die Sicherung der guten Regierung (Policey) in einer
gesamt instutionellen Sicht (etwa Kanzlei-, Taxordnung) anstreben, versucht dagegen die
Quellengattung Instruktion bürokratische Entscheidungsträger und Amtsinhaber punkt-
genau in der jeweiligen Amtsfunktion zu lenken bzw. zu „instruieren“. Die mit größe-
rem Aufwand zu erstellenden, transpersonalen Ordnungen wurden zunehmend durch
Einzel
instruktionen, die aber als Nachteil gegenüber den Ordnungen deutlich mühsamer
seitens der Oberbehörden zu kontrollieren waren und eine gut abgelegte Registratur81 er-
forderten, gleichsam durchlöchert82. Die Sammlung von detaillierten, das „alte Herkom-
men“ der Ordnungen ersetzenden Instruktionen stellten sich allmählich neben die ältere
Quellengattung der umfassenderen Ordnungen, ohne diese ersetzen zu können. Häufig
wurden Ordnungen und Instruktionen noch bis ins 18. Jahrhundert gleichrangig im Titel
geführt. Viele der inhaltlich-textlich anwachsenden Ordnungen des Spätmittelalters und
des 16. Jahrhunderts inserierten seriell detaillierte Agenden für Bedienstete des Amtes
bzw. der Institution (im Sinne von Instruktionen)83. Die Wiener Hofspitalordnungen
(1551, 1568, 1632/52) waren beispielsweise sowohl für die Insassen als auch für die Be-
76 Als Überblick Schulze, Vom Gemeinnutz 591–626; zu alten und neuen Ordnungsfeldern im 16.
Jahrhundert Simon, „Gute Policey“ 253–306.
77 Sonnlechner, Frühneuzeitliches Waldmanagement 177.
78 Hamm, Normative Zentrierung 77–96; ders., Zentrierung im 15. und 16. Jh. 163–202.
79 Am Beispiel der Waldordnung gut sichtbar bei Sonnlechner–Winiwarter, Recht und Verwaltung 62.
80 Gigl, Wiener Marktordnungen 1–239; neben den Handwerksordnungen siehe auch Ardelt,
Friedhofsordnung 24–39; Amon, Pfarrordnungen. Am Beispiel der Hebammenordnung von Straßburg und
Freiburg um 1500 (später auch in Esslingen und Überlingen übernommen) Flügge, Hebammen 278–301. Am
Beispiel von Waisenhausordnungen (Beispiel Frankfurt/Main 1663) Röper, Das verwaiste Kind 103; für Passau
Zacher, Passau 77f. Besonders intensiv scheint der Austausch von Pestordnungen und -instruktionen gewesen
zu sein, wo sich Stadtregierungen gegenseitig Ordnungen (am Beispiel der Schlesischen Infektionsordnung
1680) zuschickten, Schlenkrich, Gevatter Tod 127–130, 172.
81 Zur Registratur in Rathäusern Vismann, Akten 169–179; zu den Agenden des Stadtschreibers in
der Registratur Pauser–Scheutz, Stadtschreiber 537–539.
82 Zum Wandel von „Ordnung“ in „Instruktion“ Willoweit, Allgemeine Merkmale 298–300; zum
Spannungsverhältnis „bottum up“ oder „top down“ Drossbach, „Haec sunt statuta“ 369–385.
83 Siehe Schalk, Instruction 168–172.
Spital als Lebensform
Österreichische Spitalordnungen und Spitalinstruktionen der Neuzeit, Band 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Spital als Lebensform
- Untertitel
- Österreichische Spitalordnungen und Spitalinstruktionen der Neuzeit
- Band
- 1
- Autoren
- Martin Scheutz
- Alfred Stefan Weiß
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79639-8
- Abmessungen
- 17.5 x 24.7 cm
- Seiten
- 432
- Kategorie
- Medizin