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3. Spitalordnungen als Problem der Spitalforschung 41
sen werden müssen, für eine Interpretation der Spitalordnung heranzuziehen waren. „Sta-
tuten“ für Spitäler bzw. Ordnungen umfassen generell normative Regelungen für einen
kleinräumigen, auf die Personengruppe von Personal und Insassen des Spitals bzw. auf die
Institution Spital bezogenen Bereich93. Die Spitalstatuten durchbrachen oder erweiterten
mitunter weitergehende regionale und überregionale Rechte. Erst in jüngerer Zeit ver-
suchte die Rechtswissenschaft verstärkt die im Spannungsfeld von Prä- und Deskription
angelegten Spitalordnungen „als eigenständige Quellengattung“ zu nutzen, um neben
„Rechtsetzungs- und Normierungsprozessen“ auch sozial-, mentalitäts- oder liturgiege-
schichtliche Fragestellungen beleuchten zu können94. Die Entstehungsbedingungen der
kommunalen bzw. von Rechtsgenossen verfassten Statuten (top-down oder bottum-up
Prozess, Konsensorientierung oder Ordnungen als Akt von „Herrschaft“), der Grad von
Interaktion zwischen Normgeber und sozialer Gemeinschaft bzw. Adressat (etwa Einun-
gen), der Geltungsbereich (nur für Mitglieder und/oder Personal) oder gar die Inhalte der
Ordnungen (Sozialdiszplinierung, Policey, Memoria, Fürsorge, Repräsentation etc.) und
die Wirkungsweise (Norm, Wirklichkeit, Zeremoniell, Ritual) der Spitalordnungen sind
nach gegenwärtigem Forschungsstand erst schemenhaft zu erkennen95. Die historische
Forschung behandelte die Spitalordnungen meist im Kontext der kleinteilig arbeitenden
Hausgeschichten96 und meist in den an der Organisation interessierten Einzeluntersu-
chungen der Spitäler, wo die Spitalordnungen als Zäsuren für die Institutionsgeschichte97
oder als Sonde für die Organisation des Innenlebens bzw. der Organisation des gesamten
Spitals angesehen wurden. Beim 1576/1579 gegründeten Würzburger Juliusspital steht
die (von der Wiener Hofspitalordnung des 16. Jahrhunderts und von anderen Würz-
burger wie den Nürnberger Spitalordnungen beeinflusste) Spitalordnung für eine Art
Gründungsurkunde der Institution98, wobei nicht das Original, sondern nur mehr spä-
tere Redaktionen (im Juliusspital 1605/09) vorhanden sind99. Das „Leben im Spital“100
oder die fallweise auch inserierten Speiseordnungen in den Spitalordnungen galten der
historischen und kulturwissenschaftlichen Forschung als Untersuchungsgegenstand der
Alltags-, Institutions-, Mentalitäts- und Religionsgeschichte. Systematische Editionen
von Spitalordnungen verschiedener Einrichtungen fehlen leider bislang vollständig, wenn
auch eine in sechs Sprachen angelegte und acht europäische Länder umfassende Quellen-
sammlung zum europäischen Spitalwesen erste überregionale Aufschlüsse bietet101. Die
inhaltliche und formale Breite der Quellengattung Spitalordnung kann sich etwa auf die
93 Als Überblick Brauneder, Statuten Sp. 944–946; ältere Literatur bei Schulze, Statutarrecht Sp.
1922–1926; Köbler, Statuten Sp. 70–72.
94 Drossbach, Hospitalstatuten 54.
95 Als Überblick ebd. 369–385.
96 Als Beispiel Nowotny, Wiener Hofspital 19–26, 96–103; zum Verhältnis von Ordnung und Un-
ordnung (am Beispiel der Hausordnung von 1636) im Spital Hatje, „Gott zu Ehren“ 395–408.
97 Als Beispiel etwa Bock–Widmann, Freiburg 20–86 (Kapitel „Von der Einführung der Spitalord-
nung 1318 bis zum Ende des Mittelalters), Edition 269f. Umgekehrt finden sich Beispiele, wo es offenbar keine
erhaltenen Spitalordnungen gibt, etwa Zeller, Lindau.
98 Merzbacher, Juliusspital 26–32; Schenk, Spitalordnungen 163.
99 Kapitelüberschrift „Gründungsurkunde, Spitalordnung, Aufnahme der Funktionen“ bei Wende-
horst, Das Juliusspital 32–46, zur Ordnung 35–39.
100 Etwa am Beispiel der Weilheimer Spitalordnungen von 1651, 1842 und 1883 Heberlein, Weil-
heim 285–311; Mischlewski, Alltag 152–173, zu Spitalordnungen 158.
101 Quellen zur europäischen Spitalgeschichte.
Spital als Lebensform
Österreichische Spitalordnungen und Spitalinstruktionen der Neuzeit, Band 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Spital als Lebensform
- Untertitel
- Österreichische Spitalordnungen und Spitalinstruktionen der Neuzeit
- Band
- 1
- Autoren
- Martin Scheutz
- Alfred Stefan Weiß
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79639-8
- Abmessungen
- 17.5 x 24.7 cm
- Seiten
- 432
- Kategorie
- Medizin