Seite - 46 - in Spital als Lebensform - Österreichische Spitalordnungen und Spitalinstruktionen der Neuzeit, Band 1
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46 Das Ordnungsgeflecht in österreichischen Spitälern in der Frühen Neuzeit
lig-Geist-Spitals von 1580 und 1724/30 zeigt144. Während die Spitalordnung von 1580
obligatorische Beichte und Kommunion nur zu Ostern, Pfingsten und Weihnachten vor-
schreibt, wird 1724/30 in Ingolstadt schon die Beichte/Kommunion alle Monate und zu
allen Frauen- und Aposteltagen vorgeschrieben; der Englische Gruß hatte zudem kniend
während des Ave Maria-Läutens in der Früh, zu Mittag und zu Abend gebetet zu werden.
Typisch auch die Lage im württembergischen Spital von Öhring: Eine vorreformatorische
„Ordnung der pfruntner im spital zu Oringew“ (mit Unterscheidung von oberen und
unteren Pfründnern, Speiseordnung, Bestimmungen über das Fegefeuer, Krankenstube,
Hausordnung) wurde durch eine reformierte Spitalordnung von 1594 („eine ordnung“)
ersetzt145. Mitunter beschritten die neuen reformierten Spitalordnungen „unfreiwillig“ ei-
nen konfessionellen Mittelweg, wie am Beispiel der Annaberger Spitalordnung von 1550
deutlich wird. Neben dem reformatorischen Verbot von eigenem Geld (Primat der „ge-
meinen Büchse“) und dem Primat der Erziehung von Armen und Alten wurde noch als
Nachhall der altkirchlichen Zeit Werkfrömmigkeit im Spital hochgehalten146.
Deutlich leuchten die neuen Prämissen der Spitalführung in den überregionalen Spi-
talgründungen des 16. Jahrhunderts hervor. Der protestantische Landgraf Philipp von
Hessen (1504/reg. 1509/18–1567) stiftete zwischen 1533 und 1542 in vier reformati-
onsbedingt aufgelassenen Klöstern auf territorialstaatlicher Ebene (in verschiedenen Lan-
desteilen seines Herrschaftsbereiches), und komplementär zu den Stadtspitälern angelegt,
Spitäler für Männer und Frauen: Haina bei Marburg und Merxhausen bei Kassel (gestiftet
1535), Hofheim (1535, ehemals Pfarrei) und Gronau bei St. Goar (1542)147. Diese „Ho-
hen Spitäler“ stattete man mit einheitlichen Spitalordnungen aus, die Ordnung des 1535
gestifteten Landeshospitals Hofheim wurde nach dem Vorbild der Spitalordnungen der
Landesspitäler Haina und Merxhausen erstellt148. Diese dreiteilige Spitalordnung behan-
delt im ersten Teil Tagesablauf, Verpflegung, Arbeitsverpflichtung, Abendmahlordnung,
die Agenden des Spitalmeisters sowie die Tätigkeiten von Rentschreiber, Prädikant und
Vorständen. Der zweite Teil umfasst die Verwaltung der Spitalgüter, das Gesinde, die Pil-
ger und die Hausleute; der dritte Teil schließlich eine Holzordnung.
Territoriale, landesfürstliche Spitäler finden sich auch in anderen Teilen des Heili-
gen Römischen Reiches wieder: Die österreichischen, auf die Stiftung von Ferdinand I.
(1503–1564) und auf testamentarische Bestimmungen von Maximilian I. (1459–1519)
zurückgehenden Hofspitäler lassen sich als eindeutig katholischer, thematisch zusammen-
gehöriger Spitalkomplex ansprechen, wobei die habsburgischen Landesfürsten in jedem
Landesteil ein landesfürstliches Spital errichten ließen. Hofspitäler entstanden demnach
in Aussee, Breisach, Graz, Hallstatt, Innsbruck, Laibach, St. Veit, Wels und als größte
Einrichtung in Wien, deren Spitalordnungen in enger textlicher Abhängigkeit zueinander
standen. Die unter Mitwirkung der Regierung und wohl in Kenntnis von Ferdinand I.
verfasste, auf italienische und spanische Vorbilder rekurrierende Ordnung (mit inserierten
Instruktionen der Spitalbediensteten) für das als Referenzanlage landesfürstlicher Cle-
mentia und Rechtgläubigkeit anzusehende Hofspital in Wien von 1551 (4. Mai)149 stand
144 Hofmann, Die Regeln 353.
145 Franz, Die evangelischen Kirchenordnungen 15 629–638.
146 Michael, Die Annaberger Hospitalordnung 161.
147 Vanja, Die Stiftungen der Hohen Hospitäler 19f.
148 Demandt, Anfänge 196–211.
149 Scheutz–Weiss, Spitalordnung 306–321; hier Edition Nr. 1, S. 385–399.
Spital als Lebensform
Österreichische Spitalordnungen und Spitalinstruktionen der Neuzeit, Band 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Spital als Lebensform
- Untertitel
- Österreichische Spitalordnungen und Spitalinstruktionen der Neuzeit
- Band
- 1
- Autoren
- Martin Scheutz
- Alfred Stefan Weiß
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79639-8
- Abmessungen
- 17.5 x 24.7 cm
- Seiten
- 432
- Kategorie
- Medizin