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Spital als Lebensform - Österreichische Spitalordnungen und Spitalinstruktionen der Neuzeit, Band 1
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3. Spitalordnungen als Problem der Spitalforschung 49 auf hygienische Misswirtschaft durch den Salinenarzt und bekannten Humanisten Hip- polyt Guarinoni (1571–1654) im Jahr 1609 eine Spitalreform einleitete, der eine landes- weite Visitationskommission vorausgegangen war. Umfangreiche Leitlinien für das Haller Spital folgten 1615, im Jahr darauf schloss sich eine neuerliche Visitation an und schließ- lich stand die „Reformierte Spitalordnung“ von 1617 am Ende der Haller Visitation171. In den schwer verschuldeten österreichischen Städten der Frühen Neuzeit (große Steuerrückstände172) standen die Spitäler unter der erhöhten, am Steueraufkommen orientierten Aufmerksamkeit von Landesfürst und Stadtrat. Spitalrechnungen in vielen frühneuzeitlichen Städten wurden häufig aufgrund des hohen Aufwandes (Rechnung mit Quittungsbeilage) erst mit jahrelanger Verspätung gelegt und die Finanzgebarung der Spi- täler war daher kaum zu kontrollieren, weil keine gültigen Rechnungsschlüsse vorlagen. Im beispielhaft gewählten Bürgerspital St. Pölten ordnete die landesfürstliche Regierung nach vermuteten Problemen bei den Spitalrechnungen in den 1720er Jahren anlassbezo- gen die Durchführung einer stadtinternen Visitation durch eine aus je zwei Mitgliedern des Inneren und Äußeren Stadtrats bestehende Kommission an173. Maria Theresia beauf- tragte 1743 den anlässlich der städtischen Wahlen bestellten landesfürstlichen Wahlkom- missar mit einer genauen Prüfung der Wirtschaftsverhältnisse des Bürgerspitals, was zur Absetzung des Spitalmeisters führte174. Die vom Landesfürsten eingeleitete, die Staatsre- form begleitende Stadtreform (die Gaisruckschen Reformen 1745–1747)175 brachte, wie in den anderen landesfürstlichen Städten und Märkten im Land unter der Enns auch, große wirtschaftliche Veränderungen für die Spitäler – eine vergleichbare transparente Verwaltungsstruktur sollte in allen landesfürstlichen Städten und Märkten geschaffen werden (Verkauf aller Grundstücke, Verkauf des Spitalviehs, Ablösung der Naturalver- pflegung der Insassen durch Geldportionen). In diesem Kontext entstand schließlich die vom Landesfürsten implizit mitgestaltete neue Spitalregel von 1756176 für das Bürgerspital in St. Pölten. Visitationen scheinen verstärkt in aufklärerischer Zeit eingesetzt zu haben, so wurde das Salzburger Bürgerspital nicht nur 1637, sondern vor allem 1783 und 1795 (Großvisitation mit Einzelbefragung der Pfründner) eingehend von einer Kommission des Fürsterzbischof Hieronymus Colloredo (1732–1812, reg. 1772–1803) visitiert177, was zwar eine umfangreiche Ausräumung der Bürgerspitalkirche, aber offenbar keine neue Spitalordnung (neue Spitalordnung erst 1803) bewirkte. Neben dem 16. Jahrhundert muss das 18. und vor allem das 19. Jahrhundert als zweite Achsenzeit in der Neuorganisation bzw. der Reform der Spitäler unter zunehmend zentra- listischem Blickwinkel verstanden werden, die ihren Ausdruck auch in neuerlassenen Spital- ordnungen fand. Der frühmoderne Staat versuchte im Sinne des rationalen Staatszweckes und der „Glückseligkeit“ des Staates intermediäre Gewalten abzubauen, worunter auch die Spitäler als eigene Rechtskörper und Verwaltungseinheiten fielen. Im 18. Jahrhundert meh- 171 Moser, Hall; Die neue Spitalordnung; Edition Nr. 23, S. 538–541, Paraphrase ebd. 119f. 172 Pühringer, Contributionale. 173 Schönfellner-Lechner, Krems und St. Pölten 335. 174 Enz, Finanzgeschichte 125; Lutz, Stadt und Herrschaft 146. 175 Schachinger, Reformen in Niederösterreich. 176 Edition Nr. 127, S. 887–889. Die Spitalregeln erscheinen davor schon in einzelnen Anordnungen des Stadtrates vormodelliert, etwa 1731 wird festgelegt, dass alle Spitalinsassen bei jedem Begräbnis mitzugehen hatten, Schönfellner-Lechner, Krems und St. Pölten, 338. 177 Stadler, Das alte Salzburger Bürgerspital 210–234, 242–246; Ders., Generalvisitation 137–161; siehe den Text der neuen Spitalordnung vom 30. April 1803 (Haus- und Speiseordnung) Edition Nr. 35, S. 582–588 (SLA, Churf. und k.k. österreichische Regierung XLVI B 3).
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Spital als Lebensform Österreichische Spitalordnungen und Spitalinstruktionen der Neuzeit, Band 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Spital als Lebensform
Untertitel
Österreichische Spitalordnungen und Spitalinstruktionen der Neuzeit
Band
1
Autoren
Martin Scheutz
Alfred Stefan Weiß
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2015
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-79639-8
Abmessungen
17.5 x 24.7 cm
Seiten
432
Kategorie
Medizin
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