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3. Spitalordnungen als Problem der Spitalforschung 51
tungen (Klöster, Bruderschaften) unter Joseph II.185 – von großem Interesse. In Reaktion
bzw. schon im Vorfeld auf die Aufforderungen der Repräsentation und Kammer wurden
in vielen Spitälern Oberösterreichs die Rechtstitel gesichert (Anlage von Kopien; neue
Abfassung der Texte). Eine Art „Normspitalordnung“ aus dem Jahr 1756 findet sich mehr
oder weniger textlich abgewandelt in vielen Spitalarchiven des Landes ob der Enns186.
Es war dem reformwütigen, häufig den ersten vor den zweiten Schritt setzenden Lan-
desfürsten Joseph II. vorbehalten, das Spitalwesen in der Habsburgermonarchie generell
neu zu regeln. Die im Jahr 1781 erlassenen Direktiv-Regeln von Joseph II.187 – Beginn
einer großen Spitalreform in der Habsburgermonarchie – waren nicht nur die Grundlage
für die ab 1783 begonnene Schaffung der Allgemeinen Krankenhäuser im Gesamtstaat,
sondern sollten die Versorgungsfunktionen der bestehenden Häuser weiter ausdifferenzie-
ren und deutlicher machen. Die „Directiv-regeln zur künftigen einrichtung der hiesigen
spitäler und allgemeinen versorgunghäuser“ legten den institutionellen Rahmen für Spi-
taleinrichtungen innerhalb der deutschen Erbländer fest. Anders als bei den Gaisruck-
schen Reformen der 1740er Jahre wurde nun nicht mehr auf den spezifischen Einzelfall
Rücksicht genommen, sondern eine allgemeine, überregionale Regel erging unabhängig
vom Einzelfall. Die kosten- und personalintensive Eigenwirtschaft der Spitäler wollte der
aufgeklärte Monarch beendet wissen. Neues sollte nach Ansicht von Joseph II. (mit Blick
auf Wien) geschaffen werden: Die Spitäler fungierten in Sinne einer Klassifizierung von
Funktionen als Waisenhaus, Armenkrankenhaus und Versorgungsanstalt für Behinderte.
In den Spitälern sollten die verlassene jugend [betreut], zweitens die versorgung der von mit-
teln entblösten kranken, und dann drittens der gänzlich unfähigen oder dem allgemeinen zum
schaden oder zum ekel dienenden menschen188 sicher gestellt werden.
In den Kontext der Vereinheitlichung von regional disparaten Spitalordnungen reihte
sich auch eine 1828 vom Kreisamt Judenburg (Steiermark) erlassene Hausordnung für die
sämmtlichen im Bezirke befindlichen Spitälern und Versorgungshäusern189. Ähnliche Unifor-
mierungstendenzen gab es auch für andere Teile der deutschen Erbländer im beginnen-
den 19. Jahrhundert. So formulierte die Tiroler Hausordnung für sämmtliche Kranken-,
Pfründner- und Versorgungsanstalten aus dem Jahr 1839190 neben den Instruktionen für
Hausaufseher, Ärzte und Wärter auch breite Verhaltensmaßregeln für die Versorgungs-
hausinsassen im gesamten Land Tirol aus. Das bislang noch wenig vergleichend unter-
suchte Versorgungshaus als gängiger Typ der grundherrschaftlichen/städtischen Armen-
und Altenversorgung und Nachfolger der multifunktionalen Spitäler der Vormoderne
findet sich in vielen Städten des 19. Jahrhunderts. Großstädte wie Wien, das über meh-
rere Versorgungshäuser (Armen-„Kolonien“) am Land (Mauerbach, St. Andrä, Ybbs) ver-
fügte, schieden konsequent bürgerliche von nicht-bürgerlichen Versorgungshäusern191.
Im Laufe des 19. Jahrhunderts versuchten die verschiedenen städtischen Magistrate ihren
185 Scheutz, Ein „Lutheraner“ 321–338.
186 Edition Nr. 80–88, S. 729–751.
187 Edition Nr. 25, S. 544–548; für Hall/Tirol Moser, Hall 219–224, Edition 631–634.
188 Edition Nr. 25, S. 545.
189 Edition Nr. 65, S. 688–691.
190 Edition Nr. 21, S. 524–532. Als Vergleich das Landarmenhaus Benninghausen bei Lerche, Alltag
und Lebenswelt 241–243.
191 Als Überblick für Wien Scheutz, Der blaue Herrgott 269–293; für Urfahr (bei Linz) Puffer, Ur-
fahr 109–147; für Salzburg (breiter Überblick): Hundert Jahre „Versorgungshaus“ Nonntal; aus dem Jahr 1832
Martin, Die Kranken- und Versorgungs-Anstalten.
Spital als Lebensform
Österreichische Spitalordnungen und Spitalinstruktionen der Neuzeit, Band 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Spital als Lebensform
- Untertitel
- Österreichische Spitalordnungen und Spitalinstruktionen der Neuzeit
- Band
- 1
- Autoren
- Martin Scheutz
- Alfred Stefan Weiß
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79639-8
- Abmessungen
- 17.5 x 24.7 cm
- Seiten
- 432
- Kategorie
- Medizin