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Spital als Lebensform - Österreichische Spitalordnungen und Spitalinstruktionen der Neuzeit, Band 1
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Seite - 64 - in Spital als Lebensform - Österreichische Spitalordnungen und Spitalinstruktionen der Neuzeit, Band 1

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64 Das Ordnungsgeflecht in österreichischen Spitälern in der Frühen Neuzeit lich überlieferten Inventare die eigentliche Belegkapazität einiger Spitäler. Das Armenspi- tal in Schlettstadt/Sélestat verfügt beispielsweise über ein aus dem frühen 16. Jahrhundert stammendes Inventar, das – dem Trend des Spätmittelalters zur Separierung der Insassen folgend – neben der Rekonstruktion von 30 Räumen (reiche Pfründner, Arme, zwei Kü- chen, Räume für fremde Arme, Stauräume) auch die Wohnsituation des Personals er- hellt327. So besaß das Schlettstadter Spitalverwalterehepaar eine auch als Arbeitsraum fun- gierende Wohnstube, die Mägde verfügten dagegen nur über eine gemeinsame Kammer. Resümee Der aufmüpfige Schweizer Pädagoge und Schriftsteller Johann Heinrich Pestalozzi (1746–1827) sah das Kräftefeld von Stadt und Spital am Ende des 18. Jahrhunderts gesellschaftskritisch, nüchtern und desillusioniert. „Spital-Ordnung. Nein! es ist nicht auszustehen, wie man in diesem Hause mit den Menschen umgeht! Also sprach eine Schaar Spital=Brüder, da ihnen einmal ihr Brei und ihr Trank nicht gut genug war. Die Hausverwaltung, deren Einkünfte in dem Grade anwuchs, als die Spital=Brüder schlech- ter zu essen und zu trinken bekamen, lachte über ihre Klagen […]. Sie ließ auch einige Spital=Brüder, die sich am meisten darüber beklagten, in ein Loch werfen, […] auch berichtete sie der Behörde, der sie Rechenschaft geben mußte, bei der sich aber auch ein freundlicher Herr Vetter befand, den Vorfall, mit dem Zusatz, man könne in einem Hause, das mit Lumpen und Bettlern angefüllt sei, keine Ordnung machen, wie in ih- rem Rechte stehende Männer eine solche [Ordnung] bedürften und zu fordern befugt seien“328. Pestalozzi vertrat knapp 300 Jahre nach Johannes Geiler von Kaysersberg noch immer die Meinung, dass das Spital eigentlich für die armen Leute eingerichtet sei und stieß dabei wie viele Zeitgenossen vor ihm auf stets taube und verschlossene Ohren. Dennoch war die mittelalterliche Caritas auch um 1800 trotz erschöpfter Fonds noch lange nicht obsolet geworden und die Spitaler329 beteten weiterhin unermüdlich für die Stifter/innen und nunmehr überdies für das Wohl der jeweiligen landesherrlichen Regierung sowie das Gedeihen des römisch-deutschen Kaiserhauses. Die „Gebetsmenschen“ wurden zwar ver- wahrt, aber in der Regel auch regionsspezifisch versorgt, so dass sie kaum Hunger leiden mussten. Die ihnen zusätzlich zu den Gebeten übertragene körperliche Arbeit, die meist im Haus abgedient werden durfte, hielt sich in Grenzen und konnte ohnedies nur von den Gesünderen und Jüngeren geleistet werden. Zu den wichtigsten Aufgaben zählte die Krankenpflege, die Liebe des Nächsten. Spitäler waren um 1500 eine allgemeine Erscheinung in Städten und auch das Ord- nungsgefüge für diese Einrichtungen wurde im Laufe der Neuzeit immer dichter und dif- ferenzierte sich aus. Neben erhöhter Kontrolle durch regionale Behörden trat zunehmend auch der formierte Territorialstaat, der versuchte, zentrale Spitalordnungen, -instruktio- 327 Simon-Muscheid, Spitäler 242. 328 Pestalozzi, Figuren zu meinem ABC Buch 301 [Nr. 158]. Pestalozzi fügt als Conclusio an: „Wo an einem Orte in einem Armenhause eine solche Ordnung ist, und das Spital oder das Armenhaus zugleich eine Oberaufsicht hat, an die ihre untergeordnete Behörde auf diese Weise einberichten darf, da sollte man in der Kirche öffentlich zu Gott beten, daß er die Armen dieses Orts oder dieser Stadt aus der Hand ihrer Armenpflege erlöse“. 329 Wir verwenden im vorliegenden Buch die Bezeichnung „Spitaler“ für Spitalinsassen. Andere Be- zeichnungen wären Spitaliten usw.
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Spital als Lebensform Österreichische Spitalordnungen und Spitalinstruktionen der Neuzeit, Band 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Spital als Lebensform
Untertitel
Österreichische Spitalordnungen und Spitalinstruktionen der Neuzeit
Band
1
Autoren
Martin Scheutz
Alfred Stefan Weiß
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2015
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-79639-8
Abmessungen
17.5 x 24.7 cm
Seiten
432
Kategorie
Medizin
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