Seite - 73 - in Spital als Lebensform - Österreichische Spitalordnungen und Spitalinstruktionen der Neuzeit, Band 1
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6. Zur vorliegenden Edition 73
6.1.1 Hausordnung
Das Spital als ganzes, „geschlossenes“ Haus wurde in vielen Spitalordnungen ausführlich
geregelt. Ein vormodernes Spital durfte nit ein zankhhaus sein, sondern die gleichsam in
einer Spitalbruderschaft lebenden Insassen sollten in aller Gotts forcht, zucht und erbark-
heit gegeneinander wie brieder und schwestern leben360. Die Insassen hatten fein, hübsch,
friedlich, auferbaulich und ohne ärgernuß, wie auch in allen ganz sauberlich361 zu leben. Die
Ruhe, der Hausfrieden und die Ordnung im Haus – fried und einigkeit der armen362 –
galten als klare Leitprinzipien. Wichtiger Bestandteil der Hausordnungen war die schrift-
liche Verankerung der Befehlshierarchien im Spital. Der respect gegenüber der Hausver-
waltung363, die Gehorsamspflicht364 gegenüber der Spitalleitung sowie die Akzeptanz des
Strafregimes des/der „Hausvaters“/„-mutter“365 und der „Stubenväter“/„-mütter“ (Leiter
der jeweiligen Stuben)366 wurde schriftlich fixiert. Umgekehrt legte man dem Spitalver-
walter die Kontrollpflicht für das gesamte Haus Spital auf367. Gesonderte Erwähnung
fand immer wieder die eingeforderte Sauberkeit: müssen sie Arme auch sonderheitlich auf
die sauberkeit des Orths / in welchen sie sich befinden / geflissen seyn368. Streitigkeiten dürften
in manchen Spitälern wegen der Holzdiebstähle entstanden sein369, wie überhaupt die
frühneuzeitliche „Holznot“370 und die Holzsparkunst Spuren (durch die Aufforderung zur
Sorgfalt im Umgang mit Brennholz) hinterließ371. Das Feuer als bester „Baumeister“ früh-
neuzeitlicher Städte fand häufig Beachtung: Den behutsamen Umgang mit dem Licht372
forderte man wiederholt ein. Der Spitalinsasse sollte mit keinem spaan in den camern oder
anndern winckheln und örttern nit umbgehen373. Vielmehr hatten die anfallenden Arbeiten
bei der allgemeinen kerze in der stuben374 verrichtet zu werden und nicht in den kleinen,
vermutlich vollgestellten Schlafkammern. Die Ordnung und der Gehorsam gegen die
Spitalleitung, die häusliche Reinlichkeit375 und die gegenseitige Verträglichkeit wurden
mitunter ergänzt von der Maxime der Nüchternheit376. Kein Spitalinsasse durfte beim
Eintritt in ein frühneuzeitliches Spital seine Vermögensverhältnisse verschweigen. Jede
person soll ihr vermögen dem verwalter getreulich anzeigen, und hievon nichts verschweigen,
360 Edition Nr. 28, 2, S. 557. Edition Nr. 127, 8: die lieb und einigkeit gegen seinen nebenmenschen nicht
nur ein christliche schuldigkeit, sondern das gesaz Gottes selbsten ist; siehe auch Edition Nr. 55, 12.
361 Edition Nr. 54, 4, S. 662.
362 Edition Nr. 125, 3, S. 880; fridlich, ainig, und gotts förchtig, Edition Nr. 27, 6; ohne alles gezänckh und
widerwillen fridlich leben, Edition Nr. 89, 2; Edition Nr. 125, 10: Spitalrichter als Wahrer der Ruhe im Spital.
363 Edition Nr. 28, 11, S. 558.
364 Edition Nr. 125, 1, S. 879.
365 Edition Nr. 55, 1, S. 666; Edition Nr. 90, 3–4, S. 755–757.
366 Edition Nr. 55, 2, S. 666; Edition Nr. 143, 7, S. 931.
367 Edition Nr. 113, 13–14, S. 847.
368 Edition Nr. 55, 11, S. 667f.
369 Edition Nr. 125, Admonitiones, S. 883f.: Um die zanckereiyen abzustellen, die unter den spittälern
wegen entfremdung ihres holz vorraths entstanden sind, wurden […] 14 holzverschläge von latten errichtet.
370 Bleidick, Holz Sp. 617–619.
371 Edition Nr.143, 2, S. 931.
372 Edition Nr. 125, Nachtrag; Nr. 127, 6, S. 888.
373 Edition Nr. 89, 6, S. 752. Ähnlich Nr. 90, 3.3, S. 756.
374 Edition Nr. 38, 5, S. 593.
375 Reinheit der gemeinen Stube und Kammer, Edition Nr. 28, 10, S. 558.
376 Wird den sämlichen spitals individuen ordnung, reinlickeit, nichternheit und gegenseitige verträglichkeit,
wie auch gehorsam gegen den spitalverwalter strenge eingeschärft, Edition Nr. 143, 5, S. 931.
Spital als Lebensform
Österreichische Spitalordnungen und Spitalinstruktionen der Neuzeit, Band 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Spital als Lebensform
- Untertitel
- Österreichische Spitalordnungen und Spitalinstruktionen der Neuzeit
- Band
- 1
- Autoren
- Martin Scheutz
- Alfred Stefan Weiß
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79639-8
- Abmessungen
- 17.5 x 24.7 cm
- Seiten
- 432
- Kategorie
- Medizin