Seite - 74 - in Spital als Lebensform - Österreichische Spitalordnungen und Spitalinstruktionen der Neuzeit, Band 1
Bild der Seite - 74 -
Text der Seite - 74 -
74 Das Ordnungsgeflecht in österreichischen Spitälern in der Frühen Neuzeit
damit auf ihr hinscheiden dem bruderhaus nichts entzogen377 werde. Bettgewand und Ge-
schirr (Schüsseln und Teller) hatten die Insassen nach Möglichkeit mitzubringen, die dem
Spital im Todfall als Eigentum verblieben378. Die Testierpflicht der Spitalinsassen an das
Spital wird immer wieder explizit erwähnt379. Manche Spitäler kamen bei verarmten Spi-
talinsassen auch für die einheitliche Bekleidung – in Gleisdorf 1743 Männer und Frauen
uniform in blauer Farbe380 – der Insassen auf381.
6.1.2 Das weltliche und geistliche Tagesregime
Die weltliche Tagesordnung sah vielfach als ersten Punkt die affirmative Bestätigung der
Tagesordnung vor. So vil die Tag-Ordnung anbelanget / selbe auf Arth und Weiß / wie sie
weiters […] aufgezeichnet ist / genau beobachtet werden muß 382. Das institutionelle Tagesre-
gime im weltlichen Bereich wurde hier angesprochen, etwa das verpflichtende Aufstehen
am frühen Morgen: keinem [soll] weder früher noch später aufzustehen gestattet werden383,
zudem hatten dann die Betten in Ordnung gebracht zu werden. Die gemeinsamen Ge-
betszeiten, die Mahlzeiten und die Zeiten der Messe und das gemeinsame Zu-Bett-Gehen
wie auch die Strafen für Übertretungen des Tagesregimes legte man schriftlich fest384.
Im Bürgerspital Laufen an der Salzach aß man etwa am Beginn des 17. Jahrhunderts
zu Mittag um 10.00; das Abendmahl wurde um 17.30 gereicht385. Der Abschluss des
Hauses nach außen erscheint augenfällig. Niemand durfte ohne Vorwissen des Spital-
meisters das „geistliche Haus“386 verlassen387, der Wirtshausbesuch war in der Regel ver-
boten388, ebenso galt das Verbot des übermäßigen Alkoholkonsums („Überweinen“)389.
Niemand durfte zudem über Nacht ausbleiben390, Fremde konnten in der Regel nicht
beherbergt werden391; zu gewissen Zeiten, die jahreszeitabhängig nach Winter und Som-
mer differierten392, schloss man das Spitaltor.393 Auch die Freuden der Sexualität blieben
377 Edition Nr. 38, 3, S. 593.
378 Edition Nr. 27, 8, S. 556.
379 Edition Nr. 55, 10, S. 667.
380 Edition Nr. 54, 5, S. 663. Zu Blau als Farbe der Armut (Waisenkinder) Meumann, Findelkinder 291.
381 Edition Nr. 80, 1, S. 729.
382 Edition Nr. 55, 6, S. 667.
383 Edition Nr. 144, 1, S. 933.
384 Edition Nr. 55, 14, S. 668.
385 Edition Nr. 27, 9, S. 556.
386 Edition Nr. 127, 7, S. 888: ein spittal zugleich ein geistliches haus zunennen und dahero eine ordnung
zu haltn ist, als solle keiner ausser des kirchengang ohne erlaubnus und vorwissen des spittelmeisters außgehen.
387 Edition Nr. 89, 5, S. 752: soll khein spittaller oder spittallerin ohne erlaubnuß des spittlmaisters […]
auß dem spittall gehen, sonnderlich in dem wüerthsheüsern sich nicht uberweinen unnd rumor händl anfanngen.
388 Edition Nr. 55, 3, S. 666: Drittens stehet es keinen auß ihnen zu: Ohne Vorwissen / Willen / und Er-
laubnuß des Hauß-Vatter oder seiner Ehe-Würthin außzugehen / die Würths-Häuser zu besuchen / noch den Wein
auß der Stadt durch sich selbst / oder andere zu hollen.
389 Edition Nr. 144, 18, S. 934: alles übermäsigen trinckens (da es vor Gott sündhafft und bevorab in einem
spital der welt zu aegernuss anlass giebt) haben sich die spitaeler zu enthalten.
390 Edition Nr. 90, 3.2, S. 756: ist keinem spitäler erlaubet, ohne vorwissen des spital-verwalters aus dem
spitale zu gehen, viel weniger von einem gebethe oder gar über nachte auszubleiben.
391 Edition Nr. 125, 7, S. 881: Von beherbergung der fremden.
392 Edition Nr. 27, 10, S. 556: sollen die spittaller lanngen somers zeit zu abents nach gelegenheit des tags
umb 7 oder des langst 8 uhr, im windter aber um 5 uhr im spittall versamblet und das hauß verspört sein.
393 ist er, spittelrichter, verbunden, auf die sperrung des spittallthors gute obsicht […] zu haben, Edition Nr.
125, 10.7, S. 882. Daß spittallthor aber muß täglich wie im marckt im somer und winter gesperret und zur nachtzeit
Spital als Lebensform
Österreichische Spitalordnungen und Spitalinstruktionen der Neuzeit, Band 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Spital als Lebensform
- Untertitel
- Österreichische Spitalordnungen und Spitalinstruktionen der Neuzeit
- Band
- 1
- Autoren
- Martin Scheutz
- Alfred Stefan Weiß
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79639-8
- Abmessungen
- 17.5 x 24.7 cm
- Seiten
- 432
- Kategorie
- Medizin