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Spital als Lebensform - Österreichische Spitalordnungen und Spitalinstruktionen der Neuzeit, Band 1
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Seite - 76 - in Spital als Lebensform - Österreichische Spitalordnungen und Spitalinstruktionen der Neuzeit, Band 1

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76 Das Ordnungsgeflecht in österreichischen Spitälern in der Frühen Neuzeit fall wurde eine Krankenwärterin aufgenommen, deren Aufgaben und Pflicht es war, die „Aufwartung“ des Kranken, die Säuberung des Zimmers zu übernehmen und bei einem Sterbenden den Benefiziaten (für die Letzte Ölung) zu verständigen407. Die geistliche Tagesordnung thematisiert die religiöse Interaktion und oszillierte the- matisch zwischen den beiden Bereichen Gebet (als Form der verinnerlichten, individuel- len Frömmigkeit) und dem öffentlichen Messbesuch (mit fallweiser Beichte und Kommu- nion). Nahezu als Selbstverständlichkeit waren alle Räume des Spitals, vor allem auch die Schlafkammern, mit Kruzifixen und Weihwasserbehältern ausgestattet408. Abergläubische Handlungen und unnuzes geschwez sollten keinen Ort im Spital haben409. Der Tagesab- lauf im Spital erscheint durchtränkt mit aus Lobpreis, Danksagung (Stifter, Spitalerhal- ter, Landesfürst410) und Fürbitten bestehenden Gebeten411, die über den Tag verteilt von den Spitalinsassen abgearbeitet werden mussten412. Mahnend wurde den Spitalinsassen eingetrichtert, zu den vorgeschribenen gebett fleisßig 413 zu erscheinen. Sollen die spitaller (sovern sye es leibsvermügenheit halber verrichten khünen) alle tag des ganzen jahrs, auf das wenigist zum hoch ambt, in der pfarr khürchen sich erzaigen und dem almechtigen ir gebeth andechtigclich auf opfern414. Am Morgen, zu Mittag und am Abend415 sollte ein Gebet ent- weder – seltener – individuell in der Schlafkammer vor dem Bild Christi oder – häufiger – gemeinsam in der großen Stube der Spitäler gesprochen werden416. Räumlich verlagerte man die gemeinsamen Gebete im Sommer häufig in das Gestühl der kühlen Spitalkirche, während im Winter die wärmere „Gemeine Stube“, allerdings kniend, präferiert wurde417. Nicht selten spezifizierten die Spitalordnungen die zu erbringenden, immer laut auszu- übenden Gebetsleistungen detailliert: sollen alle zehen spitäller fruhe, wan sie aufstehen, und abends vor dem schlaffen gehen in dem spitall vor dem altär das morgen- und abend- gebett, so in fünf vater unser und fünf ave Maria samt unser lieben frauen litaney bestehen soll, laut untereinander betten, absonderlich aber jedesmahl vor und nach dem essen ein vater unser und ave Maria samt dem beysaz: Herr, gibe ihnen die ewige ruhe und das ewige liecht leuchte ihnen; Herr, lasse sie ruhen im frieden, amen, lauth betten418. Neben dem Vater Un- 407 Edition Nr. 90, 3.6, S. 756. 408 Edition Nr. 28, 7–8, S. 558. 409 Edition Nr. 28, 8, S. 558. 410 Edition Nr. 27, 4, S. 554. 411 Grethlein, Gebet Sp. 209f.; Fischer, Gebet, Katholizismus Sp. 211f.; Scheutz–Weiss, Gebet. 412 Edition Nr. 113, 5, S. 844: Fünfftens haben die in diesem burger spitall die kosst genüessend 32 arme pfriendler folgende gebetter täglich zu verrichten, alß 1mo frueh morgens um 5 uhr den morgen seegen, 1 vatter unser, ave Mariae samt morgen gebett, 2do ain vatter unser, ave Maria samt glauben, vor alle guetthätter, 3tio den 90ten psalm samt ein gebette vor ihro may(estät) die königin und kayser, deto auch vor alle guetthätter, weiter daß salve regina, ein gebett zum [/] h(eiligen) schuzengel, eines zu denen h(eiligen) aposteln und allen auserwöhlten Gottes, dan die lauretanische litaney […]. 413 Edition Nr. 127, 3, S. 888. 414 Edition Nr. 27, 3, S. 555. 415 Edition Nr. 143, 1, S. 931: Das Bürgerspital in Zwettl sah Gebete um 6 Uhr morgens, um 12 Uhr mittags und um 6 Uhr abends vor; Edition Nr. 144, 2–9, S. 933f., Bürgerspital Wien: Sommer 6 Uhr (Winter 7 Uhr) Morgengebet auf der Stube, 9 Uhr Messe (Rosenkranz laut), 10 Uhr Tischgebet, 11 Uhr Rosenkranz (Stube), 15.30 (Winter/16.00 Sommer) in der Pfarrkirche Segen, lauretanische Litanei, Rosenkranz; 16.00 (Winter/17.00 Sommer) Tischgebet, 18.00 (Winter/Sommer 19.00) Nachtgebet: 7 Vater Unser, 7 Ave Maria; am Sonntag Englischer, am Samstag Marianischer Rosenkranz. Zum Zwettler Bürgerspital Gramm, Das Zwett- ler Bürgerspital. 416 Edition Nr. 28, 3, S. 557. 417 Edition Nr. 90, 3.1, S. 775f. 418 Edition Nr. 54, 3, S. 662.
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Spital als Lebensform Österreichische Spitalordnungen und Spitalinstruktionen der Neuzeit, Band 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Spital als Lebensform
Untertitel
Österreichische Spitalordnungen und Spitalinstruktionen der Neuzeit
Band
1
Autoren
Martin Scheutz
Alfred Stefan Weiß
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2015
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-79639-8
Abmessungen
17.5 x 24.7 cm
Seiten
432
Kategorie
Medizin
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