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78 Das Ordnungsgeflecht in österreichischen Spitälern in der Frühen Neuzeit
nungen noch von den hohen Marien- und den Aposteltagen433 ergänzt werden. Auch
Neujahr war ein beliebter Beicht- und Kommunionstag434.
6.1.3 Speiseordnungen und Instruktionen für Spitalbedienstete
In allen Gemeinschaftshaushalten der Frühen Neuzeit, darunter die Spitäler, gab es jeweils
auf das Individuum und die im Spital herrschenden sozial-funktionalen Hierarchien ab-
gestimmten Kost- und Verpflegungsordnungen, die neben den Richtlinien für die essen-
tielle Herstellung der Speisen auch die Rechnungslegung und die Fest- wie Fastenzeiten
festlegten435. Oft gab es eigene Speise[oder Kost]ordnungen, aber mitunter inserierte man
die Nahrungsdeputate der Insassen (und des Personals) auch in die Spitalordnung436. Das
Bürgerspital von Steyr sah für seine 32 Insassen im Jahr 1757 folgende Ausspeisung vor:
so sollen einer jeden von disen 32 persohnen wochentlich vor 8 xr. brod, täglich 1 lb. rindt-
fleisch nebst krauth oder rueben, an fastägen aber nebst der suppen ein milchkoch oder arbes
und prein, nebst den zu denen h(eiligen) zeiten und anderen tägen zu geniesßen habenden
brätl und schmalz koch, hiernächst auch jeglicher perrsohn aus dem aldasigen spitalls keller
wochentlich vor ordinari 9 seitl 437. Überlegungen zur Diätetik und zur sozialen Gerech-
tigkeit fanden in diesen Speiseordnungen, die bei den gemeinsamen Mahlzeiten sichtbar
Ausdruck fanden, Beachtung – Kranke erhielten im Vergleich zu „gesunden“ Insassen
bessere, ihrem Krankheitszustand angepasste Kost438. Neben der Versorgungsleistung für
die Insassen wurde auch dem Spitalmeister ein genaues Maß bei der Ausgabe der Le-
bensmittel auferlegt. So musste der Spitalmeister des Bürgerspitals von Kefermarkt 1607
einen rabisch (Kerbholz) führen, worauf die an Spitalinsassen ausgegebenen Pfund Fleisch
eingekerbt wurden439. Die Instruktionen für Spitalbedienstete (wirtschaftlicher Bereich,
geistlicher Bereich, Haus) nahmen breiten Raum ein440. Während im 16. Jahrhundert
nur die obersten Funktionsträger mit Instruktionen bedacht wurden, erweiterte sich der
Kreis der Adressaten im 17. und 18. Jahrhundert beträchtlich, der Bereich der geregelten
Materien verdichtete sich deutlich.
7. Editionsregeln
Inhaltlich finden sich in der vorliegenden Edition gesamtösterreichische Ordnungstexte
für Bürger-, Herrschafts- und Hofspitäler, dagegen aber keine Pestspitäler oder Wai-
senhäuser. Der Kern des hier edierten Bestandes stammt dabei aus der Frühen Neuzeit,
wobei nach Möglichkeit auch Texte aus dem Spätmittelalter bzw. dem 19. Jahrhundert
wiederholt berücksichtigt wurden. Die edierten Stücke wurden nach den heutigen Bun-
433 Edition Nr. 54, 2, S. 663. Siehe Edition Nr. 192, 1, S. 1066: Beicht- und Kommunionszeiten:
Ostern, Pfingsten, Weihnachten und Christtag, Dreifaltigkeitstag und die sieben Frauentage.
434 Edition Nr. 55, 5, S. 667.
435 Krug-Richter, Gemeinschaftsverpflegung Sp. 406–409; als Überblick immer noch Dirlmeier,
Untersuchungen 365–391; daneben als neuere Untersuchung Kühne, Essen und Trinken.
436 Edition Nr. 54, 6; Edition Nr. 90.
437 Edition Nr. 113, 2, S. 843.
438 Edition Nr. 38, 8, S. 594.
439 Edition Nr. 81, 1, S. 730.
440 Siehe dazu Scheutz, Bürgerliche Argusaugen.
Spital als Lebensform
Österreichische Spitalordnungen und Spitalinstruktionen der Neuzeit, Band 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Spital als Lebensform
- Untertitel
- Österreichische Spitalordnungen und Spitalinstruktionen der Neuzeit
- Band
- 1
- Autoren
- Martin Scheutz
- Alfred Stefan Weiß
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79639-8
- Abmessungen
- 17.5 x 24.7 cm
- Seiten
- 432
- Kategorie
- Medizin