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I. Österreich: Hofspitäler (Kommentar Nr. 1–16) 83
I. Österreich: Hofspitäler (Kommentar Nr. 1–16)
Die Gründung der österreichischen Hofspitäler – die größte Spitalgründungswelle in der
österreichischen Geschichte vor Joseph II. – durch Ferdinand I. erfolgte während einer
infolge der Osmanenkriege höchst angespannten Finanzlage. Die Gründungsgeschichte
verlief langwierig und die exakte Festlegung der „Gründung“ der verschiedenen Hofspi-
täler ist in der Forschung strittig und aufgrund schwieriger, sich lange hinziehender Ver-
handlungen um geeignete Räumlichkeiten (vorzugsweise aufgelassene Klöster) nicht bei
allen Hofspitälern eindeutig festlegbar. Wichtig festzuhalten ist, dass die Publikation der
Spitalordnungen nicht immer am „Beginn“ der einzelnen Hofspitäler stand.
Schon im Testament von Kaiser Maximilian I. (30. Dezember 1518) wird detailliert
die Stiftung von insgesamt neun Spitälern zur kaiserlichen Memoria in den verschiede-
nen Teilen des Reiches und deren Dotation (bzw. die dafür aufkommenden Ämter, etwa
Ämter Engelhartszell, Vöcklabruck, Aussee) angesprochen: Spitäler in Antwerpen (Nie-
derlande), Augsburg (Heiliges Römisches Reich), Innsbruck (Tirol), Wien (Österreich
unter der Enns), Linz (Österreich ob der Enns), Graz (Steiermark), St. Veit (Kärnten),
Laibach (Krain), Breisach (Vorlande) sollten errichtet werden1. Maximilians Nachfolger
in den Erblanden bekundete zwar in seinen Testamenten 1532, 1543 und 1554 bzw. im
Kodizill von 15472 den Willen zur Ausführungen der Testamentsbestimmungen Maximi-
lians, aber erst in den 1550er Jahren – der Tod von Ferdinands Gattin Anna 1547 mag
eine Rolle gespielt haben – schritt der Monarch ab 1552 entschlossener an die Gründung
der imposanten Reihe der österreichischen Hofspitäler3. Bei der Planung kam es zu be-
trächtlichen Änderungen gegenüber den Vorstellungen Maximilians, die Gründung von
Spitälern in Antwerpen und in Augsburg dürften nach gegenwärtigem Forschungsstand
nicht in Angriff genommen worden sein, dagegen traten die neu bestifteten „Salzspitäler“
Aussee und Hallstatt zur Gruppe der Hofspitäler hinzu. Auch die Gründung eines Spitals
in Linz wurde nicht ausgeführt, dagegen konnte man in Wels das ehemalige Minoriten-
kloster erwerben und dort 1554 ein Hofspital einrichten. Aufgelassene bzw. infolge der
Reformation nicht mehr besetzte Klöster waren überhaupt eine gute Voraussetzung für
Hofspitäler: In St. Veit übernahm das Hofspital das Klarissinnenkloster, in Laibach das
Augustinerkloster St. Jakob und in Breisach das Barfüßerkloster. Ferdinand I. setzte den
Willen Maximilians I. exakt um, indem jedes der Hofspitäler 1.000 fl. jährlich erhielt,
auch die geistliche Versorgung (und die kaiserliche Memoria) war wichtig: 1554 bekamen
alle Hofspitäler Messgewänder, Kelche und Heiltum zugestellt. Interessant erscheint, dass
Ferdinand I. die nach 1526 neu angefallenen Teile seines Reiches (etwa das Königreich
Ungarn, das Königreich Böhmen oder die Markgrafschaft Mähren) nicht mit Spitalgrün-
dungen bedachte.
1 Zimmermann, Testament Maximilians 20–23, 27f.
2 Nowotny, Die Gründung 92.
3 Von zentraler Bedeutung ist ein Schreiben der Hofkammer vom 18. Oktober 1552 an den Vizedom
Christoph Polt und die beiden Superintendenten des schon bestehenden Wiener Hofspitals Michael Kisringer
und Christoph Aichstetter, Nowotny, Wiener Hofspital 7f. (im Wortlaut).
Spital als Lebensform
Österreichische Spitalordnungen und Spitalinstruktionen der Neuzeit, Band 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Spital als Lebensform
- Untertitel
- Österreichische Spitalordnungen und Spitalinstruktionen der Neuzeit
- Band
- 1
- Autoren
- Martin Scheutz
- Alfred Stefan Weiß
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79639-8
- Abmessungen
- 17.5 x 24.7 cm
- Seiten
- 432
- Kategorie
- Medizin