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II.1 Vorarlberg: Bludenz – Bürgerspital (Kommentar Nr. 17) 91
II.1 Vorarlberg: Bludenz – Bürgerspital (Kommentar Nr. 17)
Bereits um 1300 – also wenige Jahrzehnte nach der Gründung der Stadt Bludenz (zwi-
schen 1259 und Jänner 1270)1 – dürfte das städtische Spital in zentraler Lage in der
Kirchgasse existiert haben, das in den kommenden Jahrhunderten in erster Linie der
Armen- und Altersversorgung diente, aber auch kurzfristige Hilfe durch die Austeilung
von Geldspenden und Schmalz aus dem spital köbl bot2. Das Patrozinium des Heiligen
Geistes lässt nur bedingt den Schluss auf eine frühe Stiftung zu, denn das genannte Pa-
trozinium war damals weit verbreitet und hatte in den meisten Fällen nur bedingt mit
dem Orden von S. Spirito zu tun3. Argumente für eine Annahme der Gründung um
1300 liefert eine Urkunde vom 21. Dezember 1329, in welcher der Frühmesser, also der
Hilfspriester, der beim Stadtpfarrer wohnte, erwähnt wird. Aus Akten späterer Jahrhun-
derte geht eindeutig hervor, dass dieser Frühmesser neben der lateinischen und deutschen
Schule sowie dem Kirchenchor auch die Kranken zu betreuen hatte. Möglicherweise war
diese Frühmesspfründe von Beginn an zugleich Spitalpfründe4. Urkundlich kann die
Einrichtung in Bludenz jedoch erst im Jahr 1486 nachgewiesen werden, als der Bludenzer
Pfarrer Johannes Glinz eine Wochenstiftung in der Höhe von 18 Pfennigen machte, die
montäglich an die Hausarmen und an die Spitalkranken zur Austeilung kommen sollte5.
Ob parallel zur Frühmessstiftung schon eine Kapelle oder Kirche bestand, wissen
wir nicht. Der gotische Bau fand seine erste Erwähnung am 16. Februar 1472, denn
an diesem Tag weihte der Churer Weihbischof Burkard Dubenfluck die ecclesia hospitalis
in Pludentz sowie drei ihrer Altäre. Die ursprüngliche Kirche sollte nicht lange Bestand
haben, da sie bereits 1491 und erneut in den Jahren 1638 sowie 1682 infolge der Stadt-
brände in Schutt und Asche gelegt wurde. Nach der letzten verheerenden Zerstörung
zogen sich die Reparaturarbeiten bis zum Februar 1686 in die Länge; die Kosten beliefen
sich auf 1.770 fl. und das Kirchlein erhielt sein heutiges Aussehen. Die neuerliche Weihe
des renovierten Gotteshauses nahm am 7. August 1694 der Churer Bischof Ulrich VII.
von Federspiel vor. Die Kirche diente nicht nur den Insassen des Hospitals zur Ableistung
ihrer Gebetsverpflichtungen, sondern erfreute sich überdies bei der Bürgerschaft großer
Beliebtheit. Sie war Heimstätte des barocken Rosenkranzgebetes, der Elogi-Bruderschaft,
der Ratsherren für ihre wöchentlichen Zusammenkünfte und der Zünfte für ihre religiö-
sen Feierlichkeiten. Im Jahr 1940 beschlagnahmte die NSDAP die Spital-, Heilig-Geist-
oder Dreifaltigkeitskirche genannte geistliche Einrichtung und verwendete die Räumlich-
keiten als Magazin, nach dem Zweiten Weltkrieg nützte die französische Besatzungsmacht
die Kirche. Erst im Juni 1959 wurde die Innenrestaurierung beschlossen und nach knapp
einem Jahr das Gotteshaus im Rahmen einer Messfeier wieder eröffnet6.
Die Stiftung eines Dreifaltigkeitsbenefiziums7 im Jahr 1682 durch den Bludenzer Bür-
gersohn Mauritius Wolf, Pfarrer und Kämmerer in Nüziders, verbesserte auch die geistli-
1 Niederstätter, Bludenz im Mittelalter 66f.
2 Tschaikner, Bludenz im Barockzeitalter 218.
3 Als Vergleich Drossbach, Christliche caritas; Leuprecht, Armen- und Krankenpflege 37.
4 Rapp–Ulmer–Schöch, Dekanat Bludenz 147f.; Wanner, Medizin 17; Flür, Spitalkirche 69f.
5 Wanner, Medizin 17; Rapp–Ulmer–Schöch, Dekanat Bludenz 148; Strolz, Beiträge 219.
6 Rapp–Ulmer–Schöch, Dekanat Bludenz 83f., 148–150; Flür, Spitalkirche 70–72; Schallert,
Kirchen 14f.
7 Der ursprüngliche Hochaltar der 1472 erstmals erwähnten Kirche war der hl. Dreifaltigkeit gewid-
met. Am Fest der hl. Dreifaltigkeit fand auch das jährliche Kirchweihfest statt. Flür, Spitalkirche 70.
Spital als Lebensform
Österreichische Spitalordnungen und Spitalinstruktionen der Neuzeit, Band 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Spital als Lebensform
- Untertitel
- Österreichische Spitalordnungen und Spitalinstruktionen der Neuzeit
- Band
- 1
- Autoren
- Martin Scheutz
- Alfred Stefan Weiß
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79639-8
- Abmessungen
- 17.5 x 24.7 cm
- Seiten
- 432
- Kategorie
- Medizin