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II.2 Vorarlberg: Bregenz – Leprosenhaus (Kommentar Nr. 18) 97
schen trotz ihrer schweren Erkrankung ihre Situation deutlich erleichtern konnten. Dem
Bregenzer Bürger Augustin Haubner wurde beispielsweise 1594 von der Stadt das Recht
zugestanden, für sich ein separates Siechenhaus zu errichten, um ihm den Anblick der
anderen Kranken zu ersparen. Im Jahr 1611 durfte sogar eine Vermählung in der Siechen-
kapelle vorgenommen werden, da sich das Brautpaar mit 400 fl. einkaufte. Konnten fi-
nanzielle Mittel auch zu einer Statusverbesserung beitragen, so wurden die Leprosen den-
noch in der überlieferten Ordnung des Jahres 1565 (Edition Nr. 18, S. 515–517)
generalisierend als arme leut oder kinder angesprochen, womit automatisch eine gesell-
schaftliche Erniedrigung und eine beinahe totale Entmündigung verbunden waren6.
Im Alltag unterstanden die Siechen der Kontrolle der Siechenmagd, die für sie zu kochen
und den Haushalt zu führen hatte. Zusätzlich war sie für die Ausgabe des „pfrundt weins“
verantwortlich, der jedoch von den Hausinsassen nicht verkauft werden durfte. Die Magd
hatte ferner sehr genau darauf zu achten, dass sich die Kranken nicht dem nahe gelege-
nen Brunnen näherten und aus dem rhor trinckhen, um die Gesunden nicht abzuschre-
cken. Sie kontrollierte auch den „Bewegungsradius“ der ihr anvertrauten Kranken und
verwahrte abends die Schlüssel des Kellers und der Anstalt. Wenn die kinder dagegen
aufbegehrten, durfte sie diese sogar verwarnen. Von einer tatsächlichen Therapie der Le-
prosen kann indessen nicht gesprochen werden, lediglich die akut Erkrankten wurden
gepflegt und umsorgt. Die Gesünderen mussten im Haus mithelfen und die Magd auch
bei Gartenarbeiten oder beim Waschen der Wäsche unterstützen, worauf in Punkt 7 der
Hausordnung explizit Bezug genommen wurde. Im Jahr 1699 wurde eine „weschhütte
6 Burtscher, Sondersieche 52–56; Gmeiner, Bregenzer Krankenanstalten 66; Volaucnik, Bregen-
zer Armenfürsorge 248–251.
Abb. 4: Bregenz; das von Graz Hugo XII. von Montfort 1400 gestiftete und 1664 durch den Bregenzer Bau-
meister Michael Kuen erneuerte Siechenhaus (situiert an der Ecke Gallusstraße 50) und die barockisierte
Siechenhauskapelle zu Unserer Lieben Frau (Foto: Alfred Stefan Weiß, 2011).
Spital als Lebensform
Österreichische Spitalordnungen und Spitalinstruktionen der Neuzeit, Band 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Spital als Lebensform
- Untertitel
- Österreichische Spitalordnungen und Spitalinstruktionen der Neuzeit
- Band
- 1
- Autoren
- Martin Scheutz
- Alfred Stefan Weiß
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79639-8
- Abmessungen
- 17.5 x 24.7 cm
- Seiten
- 432
- Kategorie
- Medizin