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II.3 Vorarlberg: Feldkirch – Bürgerspital (Kommentar Nr. 19–20) 103
zung beinahe ein Säkulum zuvor mit den Worten „Ketzer“, „bayrische Sau und Spital-
kostfresser“ beschimpft worden war16. Diese Schimpftirade deutete an, was viele Bürger
wussten: Nicht nur der Medicus speiste bei Visitationen, sondern auch mancher Ratsherr
bei Festlichkeiten im Bürgerspital zulasten des Spitalfonds. Nicht zu Unrecht hatte der
berühmte Arzt von Hall in Tirol, Hippolytus Guarinonius (1571–1654), im Jahr 1610
die „SpitalFresserey“ kritisiert17.
Die alten Spitalordnungen hatten auch in Feldkirch bis ins 19. Jahrhundert Bestand.
Noch im Jahr 1825 betrachtete die Stadt den Spitalfonds als „Gemeindegut“, das ledig-
lich der Versorgung wirklicher Bürger und Bürgerinnen dienen sollte. Das Landgericht
genehmigte jedoch das neue Regulativ nicht, so dass ab 16. Februar 1830 alle Gemeinde-
mitglieder, außerdem arme kranke Dienstboten und Gesellen sowie arme kranke Fremde,
sofern die Verpflegungskosten bezahlt wurden, in das Spital aufgenommen werden muss-
ten18. Wenige Jahrzehnte später, am 17. Mai 1876, konnte schließlich die neue Anstalt in
der Walgaustraße, Krankenhaus und bürgerliches Pfründhaus, bezogen werden, das bis
zum Jahr 1972 existierten sollte19.
16 Somweber, Spital 443f.
17 Vgl. Guarinonius, Grewel 1 786, 2 1317f. und dazu den Kommentar zu Hall in Tirol, 107.
18 Somweber, Spital 449f.; Amann, Armenfürsorge 68f.; Wanner, Medizin 12; Egger, Ausgrenzen
34; Ulmer–Getzner, Dompfarre 147.
19 Kleiner, Krankenhaus 463–480; Ulmer–Getzner, Dompfarre 559f. – auch diese Einrichtung
verfügte über eine Hauskapelle.
Abb. 5: Feldkirch; Rathaus der Stadt mit dem benachbarten ehemaligen Heilig-Geist-Spital und der Spital-
kapelle in einer Planzeichnung der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts (Planzeichnung von Baumeister Alex
Gsteu) (Quelle: StA Feldkirch).
Spital als Lebensform
Österreichische Spitalordnungen und Spitalinstruktionen der Neuzeit, Band 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Spital als Lebensform
- Untertitel
- Österreichische Spitalordnungen und Spitalinstruktionen der Neuzeit
- Band
- 1
- Autoren
- Martin Scheutz
- Alfred Stefan Weiß
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79639-8
- Abmessungen
- 17.5 x 24.7 cm
- Seiten
- 432
- Kategorie
- Medizin