Seite - 104 - in Spital als Lebensform - Österreichische Spitalordnungen und Spitalinstruktionen der Neuzeit, Band 1
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III.1 Tirol: Versorgungshäuser – „Hausordnung“ für das Jahr 1839
(Kommentar Nr. 21)
Die Geschichte der Hausordnungen von Verwahr- und Fürsorgeinstitutionen ist in der
Neuzeit durch zunehmende Normierung und Standardisierung gekennzeichnet. Die all-
gemeine Spitalmeister-Ordnung1 vom 22. September 1731 für die Steiermark (Edition
Nr. 49, S. 644–649) oder die Aufforderung der obderennsischen Repräsentation und
Kammer 1754 (Nr. 78 und 79, S. 726–729) an die Spitalinhaber im Land um verpflich-
tende Ablieferung der Stiftbriefe und Spitalordnungen, die in weiterer Folge zu „Nor-
mordnungen“ für oberösterreichische Spitäler 1756 führte, unterstreichen einerseits das
Interesse der Zentralbehörden an den institutionell differenzierten, finanziell mitunter
leistungsstarken Einrichtungen, andererseits die große funktionelle Breite an Einrich-
tungen, die von weltlichen/geistlichen Grundherrschaften, den Kirchen und Städten
betrieben wurden. In diesen Kontext der Vereinheitlichung von Disparatem stellt sich
die Hausordnung für sämmtliche Kranken-, Pfründner- und Versorgungsanstalten aus dem
Jahr 1839 (Edition Nr. 21, S. 524–532), die neben den Instruktionen für Hausaufseher,
Ärzte und Wärter auch breite Verhaltensmaßregeln für die Versorgungshausinsassen im
gesamten Land Tirol ausformulierte. Das bislang noch wenig vergleichend untersuchte
Versorgungshaus als gängiger Typ der grundherrschaftlich/städtischen Armen- und Al-
tenversorgung findet sich in vielen Städten. Großstädte wie Wien, das über mehrere Ver-
sorgungshäuser und (als „Kolonien“) am Land (Ybbs, St. Andrä, Mauerbach) verfügte,
schieden bürgerliche von nicht-bürgerlichen Versorgungshäusern2. Im Laufe des 19.
Jahrhunderts versuchten die verschiedenen städtischen Magistrate ihren Kenntnisstand
untereinander auch bezüglich des Versorgungswesens verstärkt abzugleichen, so dass dem
Austausch von Hausordnungen oder Instruktionen größere Beachtung zukam.
Das vorliegende Stück, aus dem Pfarrarchiv Kundl stammend, zeigt diese Uniformie-
rungstendenzen von Hausordnungen und Instruktionen für Tirol deutlich. Die Gebäu-
deerhaltung, die Ausstattung mit dem Notwendigsten (Lebensmittel, Kleidung, Einrich-
tung, Bargeld, Wohn- und Schlafstätten), der Geldverkehr bzw. die Rechnungslegungen
und das Inventar der Anstalten waren wichtige Kontrollfelder für die aus weltlichen und
geistlichen Behörden (Gemeinde-, Seelsorgs- und Landgerichtsvorstehungen) bestehenden
Spitalleitungen. Auf Augenschein gründende Visitationen durch den Ortsseelsorger und
den Gemeindevorsteher (etwa zur Begutachtung der Wartung und Pflege der Pfründner),
aber auch ein institutionalisiertes Beschwerdeverfahren von Pfründnern, sollten durch
ein stärker verschriftlichtes Kontrollverfahren (etwa durch Erstellung von Inventaren und
durch Fondsrechnungen) begleitet bzw. ergänzt werden.
Der Aufgabenbereich des idealiter täglich vorbeikommenden Hausaufsehers bestand
vor allem in der Wirtschaftsführung der Versorgungseinrichtungen (Verschriftlichung der
Wirtschaftsführung, fallweise der Hausrechnung), aber auch in der Übersicht über den
1 Instruction, Krafft welcher sich die bestelte Spittl-Meister Uber die im Land befindliche Spittäler
/ Waisen- Vnd Armen-Häuser / Nach Inhalt Der unter Dato 22. Septembris 1731. emanirten Kayserl. Aller-
gnädigsten Resolution zu verhalten / und zu dirigiren haben. Grätz / gedruckt bey denen Widmanstätterischen
Erben / 1731, siehe Edition Nr. 49, S. 644–649.
2 Als Überblick für Wien Scheutz, Der blaue Herrgott; für Urfahr (bei Linz) Puffer, Urfahr; für
Salzburg (breiter Überblick) Hundert Jahre „Versorgungshaus“ Nonntal; aus dem Jahr 1832 Martin, Die
Kranken- und Versorgungs-Anstalten.
Spital als Lebensform
Österreichische Spitalordnungen und Spitalinstruktionen der Neuzeit, Band 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Spital als Lebensform
- Untertitel
- Österreichische Spitalordnungen und Spitalinstruktionen der Neuzeit
- Band
- 1
- Autoren
- Martin Scheutz
- Alfred Stefan Weiß
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79639-8
- Abmessungen
- 17.5 x 24.7 cm
- Seiten
- 432
- Kategorie
- Medizin