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Spital als Lebensform - Österreichische Spitalordnungen und Spitalinstruktionen der Neuzeit, Band 1
Seite - 107 -
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III.2 Tirol: Hall – Bürgerspital (Kommentar Nr. 22–26) 107 Nach der großen, dem unaufhörlichen Wachsen des Spitalbetriebes geschuldeten Spitalreform von 1511 (Edition Nr. 24, S. 541–544) besaß das Spital eine mehrglied- rige, durch 200 Jahre in Geltung stehende Organisation (Stadtrat – Spitaloberpfleger, ein Mitglied des Stadtrates – Spitalunterpfleger im Spital – Spitalbedienstete). Neben der zentralen Neuordnung der Spitalverwaltung waren auch die Renovierung des Spitals und die Neueinstellung von zusätzlichem Personal zentrale Punkt der Reform von 1511. Ein eigener, im Spital wohnhafter, vom Stadtrat bestellter und in seinen Agenden schriftlich instruierter Spitalunterpfleger (Edition Nr. 24, S. 541–544) versah die alltäglichen Ge- schäfte, der Spitaloberpfleger war für richtungweisende Entscheidungen zuständig. Das Spital beschäftigte im 16. Jahrhundert im Schnitt 15 Personen7, so dass der Spi- talunterpfleger beträchtliche Kontrollgewalt innehatte. Nach einigen Missständen erließ der Stadtrat am 6. Juni 1553 eine Spitalordnung, die sowohl eingehend die wirtschaft- liche Hausordnung als auch die Rahmenbedingungen der Spitalbediensteten festlegte (Edition Nr. 22, S. 533–538). Einleitend wird die Verpflegung der namentlich genannten oberen und unteren Pfründner mit Lebensmitteln schriftlich fixiert, anschließend regelte man die Entlohnung der Spitalbediensteten in Geld, Essen und Gütern. Der Lendhüter (54 fl. pro Jahr) und der Spitalunterpfleger (14 fl. pro Jahr) erhielten den höchsten Lohn. Die drei Hausknechte (ein Oberknecht, zwei Unterknechte), die drei Wagenknechte, die vier Hausmägde, die Köchin, die „Kindmutter“, der Mesner und der Torwart, der im Pfannhaus beschäftigte „Schirgerknecht“ und der Totengräber (Totenlässl) – insgesamt also 17 „Angestellte“ im Spital – erhielten ihre Bezüge (Wein, Essen) in dieser Ordnung geregelt bzw. ihr Einkommen schriftlich garantiert. Im Jahr 1553 gab es ganze zehn Pfründner im Haller Spital, eine insgesamt angesichts der großen wirtschaftlichen Be- deutung der Stadt doch geringe Anzahl8: Drei Männer, zwei Frauen und ein Kind waren Herrenpfründner; dazu kamen als Unterpfründner je zwei Männer und zwei Frauen. Nach der Aufdeckung von wirtschaftlichen, sanitären Missständen im Haller Spital und dem Hinweis auf eine korrupte Spitalführung durch den berühmten Haller Damen- stift-, Stadt- und Salinenarzt Hippolyt Guarinoni (1571–1654)9 kam es auf Veranlassung des besonders um die Spitäler besorgten Landesfürsten Erzherzog Maximilian III. (1558– 1618) ab 1609 in Tirol zu Spitalreformen, indem eine Visitationskommission in die Spi- täler ausgeschickt wurde. Die Tiroler Regierung erließ 1615 umfangreiche Leitlinien für die Verwaltung des Haller Bürgerspitals10, die die Machtbefugnisse des Spitalunterpflegers deutlich beschränkten. Wie ernst die Lage war, wird deutlich, als man am 23./24. Mai 1616 erneut eine Visitation ins Haller Bürgerspital entsandte (Regimentsrat Hugo von Hallweyl; Generalvikar Hieronymus Otto Agricola), welche nicht nur die Einrichtung von zwei, sowohl vom Stadtrat als auch vom Spital unabhängige Kommissare vorschlug, wie die „Reformierte Spitalordnung“ von 1617 zeigt (Edition Nr. 23, S. 538–541), son- dern auch bauliche Änderungen anordnete11. Die Direktiv-Regeln von Kaiser Joseph II. (Edition Nr. 25, S. 544–548) – Beginn einer großen Spitalreform in der Habsburgermonarchie – waren nicht nur die Grundlage für die ab 1783 begonnene Schaffung der Allgemeinen Krankenhäuser im Gesamtstaat, son- 7 Ebd. 90. 8 Brandstätter, Ratsfamilien 219. 9 Guarinonius, Grewel; zum Autor Hippolytus Guarinonius. 10 Moser, Hall 118. 11 Ebd. 119–121.
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Spital als Lebensform Österreichische Spitalordnungen und Spitalinstruktionen der Neuzeit, Band 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Spital als Lebensform
Untertitel
Österreichische Spitalordnungen und Spitalinstruktionen der Neuzeit
Band
1
Autoren
Martin Scheutz
Alfred Stefan Weiß
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2015
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-79639-8
Abmessungen
17.5 x 24.7 cm
Seiten
432
Kategorie
Medizin
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