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Spital als Lebensform - Österreichische Spitalordnungen und Spitalinstruktionen der Neuzeit, Band 1
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IV.2 Salzburg: Mühldorf/Inn – Bürgerspital und Bruderhaus (Kommentar Nr. 28–30) 115 betrauten personen und deren ermahnungen folge zu leisten7. Die Insassen wurden weiterhin zu Hausarbeiten herangezogen, sie mussten sich hygienischen Vorschriften unterwerfen, sich gegenseitig bei Krankheit unterstützen und die Schließ- und Ruhezeiten des Hauses beobachten (acht bzw. neun Uhr abends). Wer seine Gebetspflichten missachtete, verlor einen Teil seines Almosens, wer dem Alkohol frönte, konnte sogar für 24 Stunden einge- sperrt werden8. Inwieweit die Verstöße gegen die Normen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts strikter geahndet wurden als im Vergleich zur Frühen Neuzeit, entzieht sich jedoch im Augenblick noch unserer Kenntnis. Die früheste Hospitaleinrichtung – das Leprosen- und Siechenhaus – datiert in Mühl- dorf in das ausgehende 14. Jahrhundert9 und wurde außerhalb der Stadtmauern an der Einmündung des Hammerbaches in den Inn errichtet. Diese Versorgungsanstalt dürfte nicht nur Leprakranke und infektiöse Patienten bis zu ihrem Tod beherbergt haben, son- dern eventuell auch alten, verarmten und bedürftigen Bewohnern der Stadt Pflege und Unterkunft geboten haben. Nach Ansicht des Mühldorfer Stadthistorikers und -archivars Edwin Hamberger könnte diese Institution die Gründung eines separaten Bürgerspitals deutlich verzögert haben10. Laut Visitationsbericht vom 29. Juli 1673 war die Leprosen- anstalt für sieben Personen vorgesehen, doch schwankte die Bewohnerzahl zwischen fünf und acht Personen11. Der Tagesablauf unterlag analog zu klösterlichen Gemeinschaften strengen Regeln und es war vor allem das Verlassen des Hauses genau geregelt. Sonder- sieche sollten den Kontakt zu den Stadtbewohnern meiden, ein Betreten der Wirtshäuser war ihnen untersagt und sie durften in der Kirche nur vor und nach dem Gottesdienst beten. Zur Sicherung ihres eigenen Bedarfs hielten die Kranken zwei bis drei Kühe, de- ren Milch bisweilen verkauft wurde, um – so der Vorwurf – Alkohol zu erwerben12. Im Jahr 1812 drohte der am Haus vorbeifließende Inn das Haus zu unterspülen, so dass die Realität verkauft und die sechs Insassen künftig im Heiligen-Geist-Spital wohnen muss- ten13. Die Armen besaßen gemeinsam mit den „Bruderhäuslern“ das Sammelrecht, ein Zeitgenosse meinte diesbezüglich: Ihr loos ist nicht viel besser14. Die Ordnung unter den Leprosen sollte ein Verwalter und vor allem der Hausmeister (bzw. ein Hausmeisterehe- paar) gewährleisten, doch erwies sich dies durchaus als schwierig. Bereits 1673 hatten die Mitglieder der Untersuchungskommission geklagt: Statuta nulla habent […]15. Die Visi- tatoren wussten durchaus über interne Streitigkeiten im Haus Bescheid und vor allem ein „Sexskandal“ im Jahr 1692 – Hausmeister Thomas Hamiller hatte wiederholt mit einer 7 StA Mühldorf a. Inn, A 250, Hausordnung für die im Heiligen-Geist-Spital untergebrachten Ar- men der Stadt Mühldorf, 1860 Mai 31, § 1. 8 Gollwitzer, Heiliggeistspital 107. 9 StA Mühldorf a. Inn, Siechen- und Leprosenhaus, Regesten, 1398 März 10 (Pflanzgarten gegen den Siechen). 10 Hamberger, Heiliggeistspital 10. 11 AES, 11/77, Generalvisitationen 1671, 1672, 1673, Visitatio leprosi extra civitatem Mildorff facta, 1673 Juli 28, fol. 644r. 12 Veits-Falk, Armenfürsorge 71. 13 StA Mühldorf a. Inn, Abgabe BayHStA, Gerichtsliteralien 2578. Das Haus wurde am 1. Mai 1812 für 338 fl. und die restliche Wiese – ein Teil war vom Fluss mitgerissen worden – für 53 fl. versteigert; B 51, Unterholzner, Chronologisch-topographische Geschichte der Stadt Mühldorf, 1816, p. 103; Angermeier, Mühldorf 54. 14 StA Mühldorf a. Inn, B 51, Unterholzner, Chronologisch-topographische Geschichte p. 103. 15 AES, 11/77, Generalvisitationen 1671, 1672, 1673, Visitatio leprosi extra civitatem Mildorff facta, 1673 Juli 28, fol. 644r; Veits-Falk, Armenfürsorge 70.
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Spital als Lebensform Österreichische Spitalordnungen und Spitalinstruktionen der Neuzeit, Band 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Spital als Lebensform
Untertitel
Österreichische Spitalordnungen und Spitalinstruktionen der Neuzeit
Band
1
Autoren
Martin Scheutz
Alfred Stefan Weiß
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2015
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-79639-8
Abmessungen
17.5 x 24.7 cm
Seiten
432
Kategorie
Medizin
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