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Spital als Lebensform - Österreichische Spitalordnungen und Spitalinstruktionen der Neuzeit, Band 1
Seite - 177 -
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VI.4 Steiermark: Eisenerz – Bürgerspital Kommentar (Nr. 52–53) 177 Fleischportionen und aus schlechten „Mehlspeisen“, die bloß aus Roggen, Gerste und ein wenig Weizen zubereitet wurden. Mit den zusätzlichen finanziellen Ressourcen ließ sich die Qualität der so genannten Mehlspeisen deutlich verbessern, an Fasttagen wurden zusätzlich derartige Gerichte vorgesetzt; Fleisch durften die Armen künftig am Sonntag, Montag, Dienstag und Mittwoch erwarten (frisches Fleisch, Geselchtes), dominierend blieb aber weiterhin das Kraut. Sebner wollte zwar, dass anstatt der verbesserten Ver- pflegung von der gestifteten Summe zusätzlich zwei Arme aufgenommen werden, doch Spital meister Ferdinand Bauer ergriff die Partei der Insassen und argumentierte bloß für eine Pfründnerstelle, da die Armen zum Kalvarienberg gehen und für den Stifter beten mussten. Nur wenn sie einen Nutzen davon hätten, würden sie dies auch ohne Wider- spruch hinnehmen25. Das Eisenerzer Spital, das gegen Ende des 18. Jahrhunderts nur mehr 15 Bewohner/ innen zählte (lediglich drei Männer und zwölf Frauen)26, hatte wie die meisten Institu- tionen mit dem Problem der nicht funktionierenden zwischenmenschlichen Kommu- nikation zu kämpfen. Im Jahr 1758 beschwerte sich ein „armer Hascher“, dass „alles ser ibl zue geth in den Spital, dan es gehen zum gebett werr gern will, dann d. Herr schautt nicht nach, gehet Eines od. Keines, mit den Kirchen gehen ist es auch also, absonderlich die mansbilder Bleiben zu haus Dobackh Rauchen“27. Außerdem legte der Spitalmeister angeblich den Fokus vermehrt auf die Arbeit und weniger auf das Gebet. Weiter hieß es, dass „manche Insassen zu nachts bis 11 und 12 Ur Spillen, Towackh Rauchen, auch schelten, fluechen oder gar fast Raufen, das mans in der Nachberschaft, ohne schröckhen nicht, hören kann“28. Die Hausbewohner verließen ohne Erlaubnis das Spital, begaben sich ins Wirtshaus und dürften dort auch ordentlich gezecht haben, wie Klagen bele- gen. Manche Spitaler mussten sogar von ihren Verwandten wieder ins Hospital zurück- gebracht werden, um nach scharfer Ermahnung erneute Aufnahme zu finden29. Manche Beschwerden – erdacht von einer missliebigen Einzelperson – fanden nicht die Unterstüt- zung der Hospitalgemeinschaft. Juliane Kaltenbacherin, die den Markt Eisenerz eigent- lich nicht mehr betreten und ihren 83-jährigen Vater nicht mehr besuchen durfte, klagte im Sommer 1774 über das unzumutbare Essen im Haus. Die Zeugen aus dem Kreis der Insassen der Bewohner/innen verwehrten sich dagegen und stellten die vorgebrachten Ar- gumente (schlechte Qualität der Knödel, entfettete Rindsuppe, zu geringe Kost, Verkauf des Hospitalkrautes) in Abrede. Die Rechnung für die ungerechtfertigte Beschwerde hatte letztendlich der Vater der Klägerin, Joseph Kaltenbacher, zu bezahlen, denn er wurde mit einem 24-stündigen Arrest bestraft30. 25 Ebd. Nr. 198 Testament des Joseph Karl Häckl, Leoben, 1757 Jänner 15; Nr. 200, Testament Karl Häckls, diverse Schreiben des Buchhalters Sebastian Sebner und der Landessicherheitshofkommission, 1757 Juni–August; Entwurf der natural-verpflegung auf 20 arme in dem spittal Eysenärzt, von tag zu tag mit der verbes- serung nach gemachten Carl Hacklichen fundation, 1757; siehe auch Nr. 214. Die Meinungen des Spitalmeisters, des Rats und der Grazer Buchhaltung divergierten sehr stark; Watzka, Arme, Kranke, Verrückte 68f., 71, 73; Kloibhofer, Bürgerspital 139, 146f. 26 Uebersicht 78. 27 Zit. nach Kloibhofer, Bürgerspital 144. 28 Zit. nach ebd. 29 StLA, Weltliche Stiftungsakten 22, K. 121, Nr. 277, Ferdinand Adolphus Bauer an die Hofkommis- sion, 1762 Juni 16. Die geistig verwirrte Rosina Keiniggin war samt ihrem Gewand für 14 Tage aus dem Spital entwichen, ihr Benehmen galt als problematisch. 30 Ebd. Nr. 122, Nr. 319, Verleumdung und Beschwerde gegen den Spitalmeister Johann Fnadschek. Untersuchung in der magistratlichen Ratsversammlung, 1774 August 27; an das Kreisamt Bruck, 1774 Oktober 3.
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Spital als Lebensform Österreichische Spitalordnungen und Spitalinstruktionen der Neuzeit, Band 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Spital als Lebensform
Untertitel
Österreichische Spitalordnungen und Spitalinstruktionen der Neuzeit
Band
1
Autoren
Martin Scheutz
Alfred Stefan Weiß
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2015
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-79639-8
Abmessungen
17.5 x 24.7 cm
Seiten
432
Kategorie
Medizin
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