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VI.6 Steiermark: Graz – Armenhaus, Bürgerspital, Lazarett (Kommentar Nr. 55–63) 185
Suppen, Brein etc. gereicht. Zu den heiligen Zeiten kam Kalbsbraten und Wein auf den
Festtisch. Allerdings konnten sich die Frauen und Männer an diesem Wochenspeiseplan
nur wenige Jahre erfreuen, da – wie bereits erwähnt – Spitalmeister Caesar die Geldver-
pflegung einführen ließ und die Pfründner Marken aus Messingblech erhielten, um beim
Spitalwirt und -bäcker ihre Verpflegung selbst einkaufen zu können15.
Um für die erhaltenen Wohltaten zu danken, mussten die Insassen des Bürgerspitals
um die Mitte des 18. Jahrhunderts nicht nur für die Stifter und das Kaiserhaus beten,
sondern auch täglich den Gottesdienst besuchen. Das spätmittelalterliche Benefiziat, das
vermutlich in den Wirren der Reformationszeit nicht ausgeübt wurde, lässt sich erst wieder
im Jahr 1680 belegen. 1728 gab es bereits 294 gestiftete Messen, welche der Priester, dem
auch eine detaillierte Ordnung vorgelegt wurde, zu lesen hatte. Laut seiner Dienstinst-
ruktion des Jahres 1731 (16 Punkte) musste er überdies den Armen die Sakramente gratis
spenden, hatte sie in ihren triebsaalen zu trösten, war für die Verwaltung der Kirche zustän-
dig und durfte sich nur gegen Hinterlassung einer Nachricht aus dem Spital entfernen16.
Im Jahr 1843 lebten noch 32 Pfründner/innen im Bürgerspital, 59 Arme wurden
außer Haus versorgt. Fünf Jahre später – im Revolutionsjahr 1848 – verlor die Spital-
stiftung bekanntermaßen ihre Grundherrschaft. 1924 übersiedelten die Insassen in das
so genannte Tattenbachsche Haus in der Albert-Schweitzer-Gasse 22 und die Bürger-
spitalsstiftung, die auf noch bestehenden Hausbesitz beruhte, kam alten Grazer Gewer-
betreibenden zugute. Das ehemalige Bürgerspital wurde mehrfach um- und ausgebaut,
schließlich großteils geschleift. Lediglich das so bezeichnete „Rentnerhaus“ im nördlichen
Hoftrakt hat sich erhalten17.
Die Geschichte des so genannten kleinen Lazaretts, im Griesviertel gelegen (Laza-
rettgasse 27), in direkter Nachbarschaft zum großen Lazarett, in dem in Seuchenzeiten
Pestkranke versorgt wurden, lässt sich bis 1617 zurückverfolgen. In diesem Jahr richteten
18 alte und kranke Frauen und zwei Kinder der Anstalt ein Bittschreiben an die Inner-
österreichische Hofkammer und baten um Kleidung. Sie hatten zu wenig Almosen und
mussten hungern und benötigten daher sauberes Gewand, um in der Stadt Graz betteln
zu können. Zu den Aufgaben der Frauen aus der Elisabethstiftung zählte es u. a., im Be-
darfsfall die Seuchenkranken zu pflegen. Verwaltet wurde das Vermögen der Institution
zunächst von der Innerösterreichischen Hofkammer, ab 1727 von der Sicherheitskom-
mission. Als Verwalter fungierte der jeweilige Leiter des Schäfferschen Waisenhauses, ab
dem Jahr 1767 fiel diese Tätigkeit dem Armenhausmeister zu, der zusätzlich mit 20 fl.
entlohnt wurde. Um die Aufsicht im Haus und die Einhaltung der Hausordnung hatte
sich die speziell ernannte Mutter zu kümmern18. Die Ordnung (13 Punkte) vom Juni
1667 sah vor, dass die Gesunden im Sommer und Winter täglich eine halbe Stunde vor
dem Altar knieten, die zahllosen Gebete darbrachten, aber auch gegen Entgelt arbeiteten,
sofern die Andacht nicht darunter litt. Die Kranken mussten ohne verdruß und widersez-
ligkheit außgewarth werden und man sollte, falls sie starben, für ihre arme Seele beten. Die
Hausmutter hatte darauf Acht zu geben, dass die Almosenspender zwar regelmäßig, aber
nicht aufdringlich besucht und dass die erheischten Summen gerecht verteilt wurden. Die
im kleinen Lazarett wohnenden Frauen schuldeten der Mutter Respekt, mussten sie auch
15 Edition Nr. 56, S. 670–672; Haydinger, Fürsorge 28–30; Steiner–Wutschnig, Bürgerspital 21f.
16 Edition Nr. 58, S. 673–675; Haydinger, Fürsorge 33–35; Steiner–Wutschnig, Bürgerspital 55.
17 Huber-Reismann, Krankheit 339; Reismann–Mittermüller, Stadtlexikon 62.
18 Haydinger, Fürsorge 65f.; Huber-Reismann, Krankheit 342.
Spital als Lebensform
Österreichische Spitalordnungen und Spitalinstruktionen der Neuzeit, Band 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Spital als Lebensform
- Untertitel
- Österreichische Spitalordnungen und Spitalinstruktionen der Neuzeit
- Band
- 1
- Autoren
- Martin Scheutz
- Alfred Stefan Weiß
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79639-8
- Abmessungen
- 17.5 x 24.7 cm
- Seiten
- 432
- Kategorie
- Medizin