Seite - 191 - in Spital als Lebensform - Österreichische Spitalordnungen und Spitalinstruktionen der Neuzeit, Band 1
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VI.7 Steiermark: Hartberg – Bürgerspital (Kommentar Nr. 64) 191
gemauert, kürzlich renoviert worden und mit Ziegeln gedeckt. Im Februar 1732 berich-
tete der innerösterreichische Hofkammer- und kaiserliche Hofkommissionsrat Petrus
Lucretius Ignatius von Apostelen diesbezüglich an die Landessicherheitshofkommission:
dises spitall hauß ist völlig neu und sauber reparirt, auch zu separir- und subsistirung der
armen so bequemb, compendios und gelegsamb abgetheilt, daß ich bey allen meiner seithero
visitirten spitällern dergleichen, sonderheitlich zu verhüettung der feuers gefahr vorgesechene
guetten gelegenheit, noch nicht gefunden habe und denenhero disem jezigen spitlmeisteren, so
daß gebeu geführt, billichmessiges lob beylegen mueß 7. Nach Berechnungen maß das Haus
ca. 28 Meter in der Länge und etwa acht Meter in der Breite, die große Spitalstube wies
eine beachtliche Fläche von 44 m2 (ca. 7,1 x 6,2 m) auf. Vermutlich konnte dieser Raum
aufgrund seiner Größe im Winter nur schwer beheizt werden. Weitere Räume im Erdge-
schoß waren das Vorhaus, die Küche (10 m2) mit drei anschließenden Gewölben und mit
dem Weinkeller. Im Oberstock lagen die Schlafräume der Insassen: Eine Schlafstube für
die sechs Männer (47 m2) und vier kleine Räume sowie vier kleine Stüberl für die Frauen
(zu je 6,5 m2 bzw. 7,5 m2), wobei diese Räumlichkeiten von den Frauen lediglich als Ein-
zelzimmer genutzt werden konnten8. Neben einem „Vorsaal“ fanden sich noch eine kleine
Küche sowie eine enge „Keuche“/Gefängnis (6,5 x 1,2 m), die der Abschreckung und der
Durchführung geringfügiger Strafen dienen sollte9. Da sich in Hartberg wiederholt auch
psychisch Kranke in den Aufnahmelisten nachweisen lassen, könnten auch sie in diesem
Raum bei „Auffälligkeit“ verwahrt worden sein10.
Konnten sich die Bewohner/innen in Hartberg bis weit ins 18. Jahrhundert kaum
auf medizinische Betreuung verlassen11, so war zumindest die Versorgung mit Nahrung
sichergestellt (Edition Nr. 64, S. 686f.). Ende September 1731, sicherlich nicht zufällig
mit der Publikation der Regulen und Satzungen („Generalspitalordnung“) und der Gene-
ralinstruktion für Spitalmeister12, wurde im Haus ferner eine Wochenspeiseordnung be-
kannt gemacht. Die Pfründner/innen wurden reichlich mit Rindsuppe mit einem Stück
Fleisch (mittags) sowie Kraut versorgt, außer an den traditionellen Fasttagen Freitag und
Samstag, an denen Einbrenn bzw. Brei mit Kraut und Rüben angeboten wurden. Freitag
am Abend kamen kalte mit esßig und öhl abgemachte ponn auf den Tisch. In der Fastenzeit
reichte man Suppen oder Ritschert, ein bekanntes Eintopfgericht, außerdem erhielten
die Spitaler mittwochs, freitags und samstags 1 halbe wein. Zu Weihnachten, Neujahr,
Ostern, Pfingsten und zu den anderen heiligen Festen durften sie nicht mit weiteren Zu-
wendungen rechnen, außer die Bürgerschaft zeigte sich spendabel. Neben der Kleidung
bekamen die Insassen jährlich ein Paar neue Schuhe und ein Paar gedoppelt, alle zwei
Jahre wollene Strümpfe sowie weitere Erfordernisse. Als Detail am Rande zeigten sich die
Insassen mit der Tätigkeit des Spitalmeisters Franz Thaner sehr zufrieden. Zum Bedauern
der Pfründner/innen wurde allmählich von der Natural- auf die Geldversorgung umge-
7 StLA, Weltliche Stiftungsakten 20, K. 114, Nr. 6, Petrus Lucretius Ignatius von Apostelen an die
Landessicherheitshofkommission, undatiert (1732 Februar); Nr. 3, Spitalmeister Franz Thaner und Stadtrich-
ter Mathias Perschl an die Innerösterreichische Regierung und Hofkammer, 1728 Juli 3 – noch 1728 galt das
Gebäude als baufällig!
8 Watzka, Arme, Kranke, Verrückte 84.
9 Ders., Bürgerspital von Hartberg 13f.; Levonyak, Hartberger Bürgerspital 53–57.
10 Watzka, Bürgerspital von Hartberg 10f., 14; StLA, Weltliche Stiftungsakten 20, K. 114, Nr. 6,
Beschreibung der armen Leute im Spital zu Hartberg, 1731 September 26.
11 Watzka, Arme, Kranke, Verrückte 78.
12 Vgl. Edition Nrn. 49 und 50; Simmler, Stadt Hartberg 699f.
Spital als Lebensform
Österreichische Spitalordnungen und Spitalinstruktionen der Neuzeit, Band 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Spital als Lebensform
- Untertitel
- Österreichische Spitalordnungen und Spitalinstruktionen der Neuzeit
- Band
- 1
- Autoren
- Martin Scheutz
- Alfred Stefan Weiß
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79639-8
- Abmessungen
- 17.5 x 24.7 cm
- Seiten
- 432
- Kategorie
- Medizin