Seite - 196 - in Spital als Lebensform - Österreichische Spitalordnungen und Spitalinstruktionen der Neuzeit, Band 1
Bild der Seite - 196 -
Text der Seite - 196 -
196 Kommentare
VI.9 Steiermark: Leoben – Bürgerspital (Kommentar Nr. 66–67)
Die vor 1729, dem Todesdatum des Spitalmeisters Johann Hörzögger1, entstandene
Speiseordnung des Elisabethspitals in Leoben (Edition Nr. 67, S. 698) lässt die große
Dimension dieses wichtigen städtischen, an der Mur gelegenen Bürgerspitals (mit der
Kirche St. Elisabeth mit drei Altären 1730, Filialkirche der Pfarrkirche am Waasen) in der
Steiermark erkennen. Die Visitationsakten (mit Stüfftregister 1724/1725, Inventar 1729)
von 1730 beschreiben das Gebäude als zimblich lang, jedoch sehr schmall, indem einwerthß
des hoff der gang, so nach der lenge deß gepeu gehet, vill von dem spatio einnimmet2. Die von
Johann Adam Felix von Mainersperg als Kommissar gemeinsam mit dem Stadtschrei-
ber, dem Bürgermeister und dem Spitalmeister durchgeführte landesfürstliche Visitation
bescheinigte dem Spital, dass es aufgrund der gemauerten Basis und der intakten Beda-
chung des unterkellerten Spitals sowie der Ausstattung (mit einer Wagenhütte, einem
stadl sambt theen und stallung) eines von denen bessern spitällern im Land Steiermark war,
wenn auch die Nähe zur Mur für feuchte und Kranke wenige bevorzugende Verhältnisse
sorgte. Der Keller bot Platz für 30 Startin Wein, doch war er aufgrund seiner Wärme und
Feuchte kaum für die Lagerung des Alkohols geeignet. Die Spitalinsassen verfügten über
verschidene kleine stiblen und schlaffcammer[n], in welchen die ledige von denen verheurathen
separiert seint. Nach den Vorschlägen der Visitationskommission wäre es baulich möglich
gewesen, noch einige Stuben für die arme personen einzurichten, was der Spitalmeister
jedoch unter Hinweis auf die dadurch verursachten höheren Heizkosten ablehnte (der
Magistrat lieferte bereits jährlich 80–90 Klafter Holz). Insgesamt wurden vier Stuben
(Meierstube, Bürger-, Armeleut-Stube und „kleine Stube“) geheizt. Im Jahr 1730 ver-
sorgte das Leobener Bürgerspital ca. 30 Personen – das Visitationsprotokoll führt unter
Einrechnung des Meiers, seiner Frau, des Knechts und der Dienstmagd 35 Personen an.
Drei Männer und eine Frau waren erst kürzlich verstorben, fünf Personen hatte man in-
nerhalb kurzer Zeit wieder aufgenommen. Für das einstige Personal, das langjährig für das
Spital gearbeitet hatte, war eine Altersversorgung vorgesehen oder in der Sprache der Zeit
ausgedrückt: Neben disen finde ich auch billich zu sein, daß man jennen knecht und diern,
welche bey dem spitall lange jahr mit geringer oder woll gar ohne besoldung gedienet und mit-
ler zeit zu dienen unvehig worden, alß arme leuth mit fueg darinnen behalten kenne, weillen
es nicht gegen der stüfftung gethan ist. Zwölf Personen erhielten aufgrund einer Stiftung
ferner ihre Kleidung vom Spital (die Bürger in Tuch, die anderen in Loden), zusätzlich
wurden zwölf Hausarme gekleidet3.
Damit die Armen ihren immateriellen Dank abstatten konnten, mussten sie an der
Patroziniumsmesse für die hl. Elisabeth, an der Mittwochsmesse und am Rosenkranzgebet
sowie der Litanei, dem Gemeinschaftsgebet, teilnehmen. Der Kommissar verlangte auch
die Vorlage der Stiftbriefe und weiterer Unterlagen, doch entschuldigten sich der Bürger-
meister und Stadtschreiber mit dem üblichen Hinweis auf die Stadtbrände, der Übersen-
dung wichtiger Akten nach Graz und der Versicherung der nochmaligen Recherche (fleissig
nachsuechen) im städtischen Archiv. Im Jahr 1730 zählte das Spital noch 23 Untertanen
und besaß überdies unrentable Grundstücke (Äcker, Wiesen, Kraut-, Weingarten). Der
Bürgermeister verteidigte die aufgetretene Negativbilanz mit dem Hinweis, dass viele Le-
1 StLA, Weltliche Stiftungsakten 14, K. 75, Nr. 12, Visitation des Bürgerspitals, 1730 Mai 5.
2 Ebd. Alle weiteren Angaben aus dem Visitationsprotokoll.
3 Alle Zitate nach ebd.
Spital als Lebensform
Österreichische Spitalordnungen und Spitalinstruktionen der Neuzeit, Band 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Spital als Lebensform
- Untertitel
- Österreichische Spitalordnungen und Spitalinstruktionen der Neuzeit
- Band
- 1
- Autoren
- Martin Scheutz
- Alfred Stefan Weiß
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79639-8
- Abmessungen
- 17.5 x 24.7 cm
- Seiten
- 432
- Kategorie
- Medizin