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Spital als Lebensform - Österreichische Spitalordnungen und Spitalinstruktionen der Neuzeit, Band 1
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VI.9 Steiermark: Leoben – Bürgerspital (Kommentar Nr. 66–67) 197 bensmittel weder in Leoben noch in der unmittelbaren Umgebung käuflich zu erwerben waren, dahero der magistrat necessiert worden were, die mayrschafft anwiderumben zurukh zu nemben und zu bestraitten4. Zwischen 1767 und 1773 mussten dennoch alle Realitäten ver- kauft werden und mit dem Erlös konnte ein beachtlicher Fonds geschaffen werden – um 1790 20.450 fl. –, der künftig zur Versorgung der Armen dienen sollte5. Auf die gedruckte Instruction, Nach welcher Die dermahlige Untersuchungen deren in Resolutione hodierna benannten milden Stiftungen zu veranlassen / und wie hier die in Sa- chen anhero erstattende Berichte einzutheilen / und zu verabfassen seyen6, antworteten Bür- germeister, Richter und Rat der Landessicherheitshofkommission am 7. September 1754 mit einer Definition der Aufnahmeberechtigten und der -gründe (wird unsers erachtens zu aufnehmung der spitaller nichtes [!] anderes erfordert, als das es burgers, oder burgers kinder, dan sogestaltig müehesellig seynd, das sye sich selbsten nicht ernehren könen, nicht aber das andere, und etwo bemitlete, eingenohmen werden)7. Analysiert man allerdings die dokumen- tierten Aufnahmen im Bürgerspital der Jahre 1549–1700, so relativiert sich der Anspruch des Rates nach Bürgerlichkeit in der Frühzeit der Anstalt. Folgt man der Clusterbildung des steirischen Soziologen und Historikers Carlos Watzka für die Jahre 1610–1700 (78 Personen), dann können nur 19 % mit Sicherheit als Bürger oder „Bürgerkinder“ ange- sehen werden, ca. 35 % waren qualifizierte Handwerker und deren Angehörige, ca. 26 % unqualifizierte Arbeiter und deren Angehörige und 19 % gehörten anderen Segmenten der städtischen Unterschicht an, ein Aufgenommener galt als Bauer. Bei insgesamt 210 für den Zeitraum von 1610 bis 1700 verzeichneten Aufnahmefällen ist bei mehr als 82 % (173 Personen) keinerlei Gegenleistung verzeichnet, so dass die Hypothese von der völligen Mittellosigkeit der überwiegenden Anzahl der Spitalinsassen plausibel erscheint8. Die erste urkundliche Nachricht über das Leobener Spital stammt aus dem Jahr 1371. Der seit 1368 als Landschreiber tätige Leobener Bürger Dietrich der Pierer ließ die ka- ritative Anstalt „enhalben der Prukken … in unser Frawn pfarr“, also am Brückenkopf der Waasenvorstadt, errichten bzw. ausbauen (Baubeginn vermutlich bereits unter seinem Schwiegervater Heinrich dem Pierer Mitte des 14. Jahrhunderts). Räumlich an das Spital war das Siechenhaus angebunden, das auch (Schwer-)Kranke beherbergte. Diese spätmit- telalterliche Raumbesetzung, die von sanitären Überlegungen geprägt war, erwies sich bis in die Neuzeit als sinnvolles Konzept. Die von der Stadt isolierte Lage zeichnete sich vor allem im Jahr 1716 als vorteilhaft aus, als die Pest in den Mauern wütete, die Vorstadt Waasen hingegen verschonte. Die Bevölkerung schrieb die wundersam erlebte Errettung vor dem Schwarzen Tod der hl. Maria als Schutzpatronin der Waasenkirche zu, nicht jedoch dem schützenden Fluss9. Dietrich der Pierer einigte sich 1371 mit dem Pfarrer von St. Jakob über eine Ent- schädigung für dessen verminderte Einnahmen, so dass dieser den Bau einer Kapelle und 4 Ebd. 5 Huber-Reismann, Medizinische Versorgung der Stadt Leoben 25; Uebersicht 79. 6 StLA, RuK, Sach 127 I, K. 400, fol. 299r–300r, 18 Fragepunkte, undatiert (vermutlich 1754 Juli 30). 7 Ebd. fol. 389r–v, Bürgermeister, Richter und Rat der landesfürstlichen Stadt Leoben an das Kreisamt in Bruck, 1754 September 7; Weiss, Karitativer Stadtraum 447–472. 8 Watzka, Arme, Kranke, Verrückte 93–95; Abendstein, Leobener Bürgerspital 85–104. 9 Abendstein, Leobener Bürgerspital 40f.; Weiss, Den Kranken zum Heile 24f.; Cerwinka, Le- obener Bürgerspital 64; Huber-Reismann, Medizinische Versorgung der Stadt Leoben 23, 485–505; Weiss, Karitativer Stadtraum 447–472; vgl. die topographische Lage bei Vischer, Topographia Ducatus Stiriae 1 Nr. 228 und das Pestvotivbild aus dem Jahr 1716 (Weiss, Den Kranken zum Heile Farbtafel 1 – der Sensenmann kann die Brücke nicht überschreiten).
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Spital als Lebensform Österreichische Spitalordnungen und Spitalinstruktionen der Neuzeit, Band 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Spital als Lebensform
Untertitel
Österreichische Spitalordnungen und Spitalinstruktionen der Neuzeit
Band
1
Autoren
Martin Scheutz
Alfred Stefan Weiß
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2015
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-79639-8
Abmessungen
17.5 x 24.7 cm
Seiten
432
Kategorie
Medizin
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