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Spital als Lebensform - Österreichische Spitalordnungen und Spitalinstruktionen der Neuzeit, Band 1
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VI.9 Steiermark: Leoben – Bürgerspital (Kommentar Nr. 66–67) 201 ein stikl brot, das ohnedies eine wesentliche Rolle bei der Ernährung der Insassen spielte23. Carlos Watzka hat berechnet, dass die geschätzte Kalorienzufuhr pro Person und Tag in Leoben ca. zwischen 1.750 und 2.900 pendelte, was konkret bedeutet, dass die Hausbe- wohner zumindest nach der vorgesehenen Kost keinen Hunger leiden mussten24. Die Spitaler sollten sich ihr Essen und den Aufenthalt im Spital nicht nur durch die Gebete und die Teilnahme an den Messen, sondern überdies durch ihre Mithilfe im Haushalt verdienen. Gesunde Insassen mussten z. B. im Siechenhaus (schwer)kranke Mit- bewohner/innen pflegen, Männer im Spital als Fuhrknechte tätig werden oder bisweilen als Hilfstotengräber fungieren. Einfältige oder „närrische“ Kinder – über zehn Prozent der im 17. Jahrhundert aufgenommenen Personen der Leobener Anstalt litten an schwe- ren mentalen Beeinträchtigungen – konnten meist nur zu sehr einfachen Hilfstätigkeiten herangezogen werden, die als eine Art Beschäftigungstherapie fungierten25. Der „Narr“ wurde allerdings noch nicht negativ gesehen und blieb längstens bis zum Zeitalter der Aufklärung auch in die Armutsgesellschaft des Hospitals inkludiert26. Im Februar 1805 wurde laut Gubernialverordnung die Erbauung des Leobener Kranken hauses genehmigt, welches im hinteren Bürgerspitaltrakt im April 1806 eröffnet werden konnte27. Ein extremes Hochwasser im Jahr 1827 fügte dem Gebäude schwere Schäden zu und das Siechenhaus musste sogar zur Gänze abgetragen werden. Das Bürger- spital blieb bis zum Ende der 1930er Jahre als Armenhaus in Verwendung, in der NS-Zeit zog die Geheime Staatspolizei ein, nach dem Krieg schließlich fand die Anlage noch bis 1954 Verwendung als Polizeikommissariat. 1958 wurde der Gebäudekomplex abgetragen, um einem Wohnhaus und einem großen Kaufhaus Platz zu bieten28. 23 StLA, Weltliche Stiftungsakten 14, K. 75, Nr. 12, Wüe die spitaller in Leoben verpflegt werden, um 1729; Cerwinka, Leobener Bürgerspital Anhang II 78f.; Weiss, Den Kranken zum Heile 28f. 24 Watzka, Arme, Kranke, Verrückte 66–69, 71, 73. 25 Abendstein, Leobener Bürgerspital 58, 85–100; Watzka, Arme, Kranke, Verrückte 131, 134. 26 Vgl. Maier, Irre Hoheit 53–67, 112–117. 27 Weiss, Den Kranken zum Heile 33, 35. 28 Ebd. 46; Huber-Reismann, Medizinische Versorgung der Stadt Leoben 49f.
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Spital als Lebensform Österreichische Spitalordnungen und Spitalinstruktionen der Neuzeit, Band 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Spital als Lebensform
Untertitel
Österreichische Spitalordnungen und Spitalinstruktionen der Neuzeit
Band
1
Autoren
Martin Scheutz
Alfred Stefan Weiß
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2015
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-79639-8
Abmessungen
17.5 x 24.7 cm
Seiten
432
Kategorie
Medizin
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