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Spital als Lebensform - Österreichische Spitalordnungen und Spitalinstruktionen der Neuzeit, Band 1
Seite - 205 -
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Seite - 205 - in Spital als Lebensform - Österreichische Spitalordnungen und Spitalinstruktionen der Neuzeit, Band 1

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VI.11 Steiermark: Neumarkt – Bürgerspital (Kommentar Nr. 69) 205 Da das Baumaterial vorhanden war, ließ er ohne Konsens das verlobte Gotteshäusl zu den Aposteln Philipp und Jakob und der hl. Anna erbauen, so dass der Erzpriester bei der fol- genden Visitation nur mehr resignierend die Messlizenz erteilen konnte. Jährlich wurden zwei gestiftete Messen gelesen und die Armen konnten die vorgeschriebenen Gebete in der kleinen Kirche verrichten. Die Kapelle, die unabhängig vom Spitalmeister verwaltet wurde, entwickelte sich rasch zu einer beliebten regionalen Wallfahrtsstätte und erbrachte somit auch entsprechende Erträge an Almosen, die wiederum an in Not geratene Bürger verliehen werden konnten. In den Jahren 1744/48 ließ man diesen Sakralbau erneuern und vergrößern; auch eine Orgel lässt sich nachweisen. Dem Reformeifer Kaiser Joseph II. fiel auch dieses Gotteshaus zum Opfer und trotz der Bemühungen der Marktbewoh- ner, die beliebte Spitalkirche nicht zu schließen, musste 1789/90 das angesammelte Ver- mögen an den Religionsfonds und an die Kirche in Neumarkt übergeben werden, das Kirchengebäude hingegen wurde um 100 fl. an einen Gastwirt versteigert6. Die wirtschaftliche Basis des Spitals war bis ins ausgehende 17. Jahrhundert kaum gesichert, so dass die Armen weitgehend von Spenden leben mussten. Erst die großzü- gige Stiftung des St. Mareiner Pfarrers Johann Jakob Fasser vom 31. März 1693, der ein Bauerngut, einen Zehent und Kapitalien im Gesamtwert von 3.851 fl. übertrug, ermög- lichten den Armen durch einen jährlichen Zinsertrag in die Höhe von mehr als 155 fl. ein erträgliches Leben. Der Priester schenkte dem Spital ferner noch einige Grundstücke, so dass zwei Kühe für die Spitaler gefüttert werden konnten (Milch, Schmalz), und überließ außerdem vier vollständige Betten. Aus den Erträgen sollten noch lebende Verwandte und seine Köchin, die ihn während seiner Krankheit gepflegt hatte, bevorzugt in das Haus auf- genommen werden bzw. eine geringe jährliche Geldsumme erhalten. Um eine getrennte Abrechnung zwischen der „Fasserstiftung“ für sechs Arme – darunter ein taugliches weibs- bildt als Köchin und Haushälterin – und dem eigentlichen Bürgerspital zu ermöglichen, musste im Archiv des Pfarrhofes von St. Marein eine eigene Kasse eingerichtet werden, zu der nur der jeweilige Pfarrer und der Spitalmeister Zugang hatten. Die Erfüllung der Stiftungspflichten hingegen sollte neben dem Pfarrer vom Marktrichter in Neumarkt überprüft werden, in die Rechnungen hatte auch der Spitalmeister Einsicht zu nehmen. Als Gegenleistung mussten die sechs Spitaler neben einfachen Hausarbeiten täglich für den verstorbenen Pfarrer – im Sommer in der Spitalkirche, in der kalten Jahreszeit in der Stube – fünf Vater Unser, fünf Ave Maria und ein Glaubensbekenntnis sprechen. Außer- dem hatten sie an den Sonn- und Feiertagen an der hl. Messe und an der Predigt teilzu- nehmen und an den Wochentagen möglichst oft den Gottesdienst in St. Marein zu besu- chen. Erst im Jahr 1753 und damit im Zuge der theresianischen Reformtätigkeit sollte die „Fasserstiftung“ dem Spital zu Neumarkt inkorporiert werden und die Armen in kost und kleidung gleichgehalten werden7. Die ursprüngliche finanzielle Dotierung trug wesentlich dazu bei, dass die Einrichtung in Neumarkt Mitte des 18. Jahrhunderts zu einer der am besten dotierten Hospitäler der Steiermark zählte (1756: 6.280 fl., 1794: 9.910 fl.) und in der Regel ausgeglichen bilanzierte. Bereits 1619 wohnten 13 Personen im Spital, eine Belegungsziffer, die sich bis Ende des 18. Jahrhunderts kaum ändern sollte8. 6 Brunner, Neumarkt 216–219; ders., St. Marein 300. 7 Ders., Neumarkt 219f.; Watzka, Arme, Kranke, Verrückte 110; StLA, Weltliche Stiftungsakten 83, Teil 2, K. 302, fol. 789v–804v, Extract auß dem von herrn Johann Jacob Fasser, pfarrer zu st. Marein, unter den lezten Martii hinterlassenen testament de anno 1693; ebd. 67, K. 209, Nr. 32, Fasserstiftung; ebd. A. Neumarkt, Markt, K. 80, H. 1081, fol. 1r–17v. 8 Valentinitsch, Armenfürsorge 106, 112; Uebersicht 81; Watzka, Arme, Kranke, Verrückte 33.
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Spital als Lebensform Österreichische Spitalordnungen und Spitalinstruktionen der Neuzeit, Band 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Spital als Lebensform
Untertitel
Österreichische Spitalordnungen und Spitalinstruktionen der Neuzeit
Band
1
Autoren
Martin Scheutz
Alfred Stefan Weiß
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2015
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-79639-8
Abmessungen
17.5 x 24.7 cm
Seiten
432
Kategorie
Medizin
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