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Spital als Lebensform - Österreichische Spitalordnungen und Spitalinstruktionen der Neuzeit, Band 1
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VI.12 Steiermark: Radkersburg – Bürgerspital (Kommentar Nr. 70) 211 Männer und acht Frauen in der Radkersburger Institution, die Anstalt bilanzierte annähernd ausgeglichen (1.587 fl. an Einnahmen und 1.560 fl. an Ausgaben) und der Kapitalstand belief sich auf beruhigende 33.500 fl.20. Gegen Mitte des 18. Jahrhunderts waren im Spital noch meist zwölf bis 15 Personen betreut worden, doch hatte Kaiser Joseph II. 1787 ange- ordnet, die Hospitäler generell zu schließen und nur mehr die Pflegedürftigen „stationär“ zu versorgen, wodurch auch die Radkersburger Institution sich allmählich in eine Altenpflege- anstalt wandelte. Nach 1818 beschränkte sich die Leitung auf die biblische Zahl zwölf und bot sechs Frauen und sechs Männern Platz im geräumigen Hospitalgebäude mit vier großen Räumen und einer angeschlossenen Hauskapelle21. Die Versorgung der Hausbewohner erfolgte in der Frühen Neuzeit durch die land- wirtschaftlichen Erträge der Meierei, die unter der Aufsicht des Spitalmeisters mit einigen Dienstleuten (Knechte, Mägde, „Kuhhalter“, „Sauhalter“) und einem angestellten Schaffer als Leiter (bis 1752) betrieben wurde22. Neben dem Schaffer wohnten auch der Meier und seine Frau im Haus, die gegen Ende des 17. Jahrhunderts von der „Spitalsdirn“ – sie war überdies für die Pflege der Kranken und die Sauberkeit in der Anstalt verantwortlich – verköstigt wurden. Bei den arbeitsintensiven Ernteeinbringungen, Weinbauarbeiten und dringenden Reparaturen am Gebäude mussten zusätzlich Taglöhner angestellt werden. Die tägliche Hausarbeit konnte hingegen unter Mithilfe der Spitaler erledigt werden. Bereits im Jahr 1689 verlangten im Rahmen einer Visitation die anwesenden Kommissäre die Auf- lösung der Meierei, lediglich sechs Kühe und vier Pferde sollten zum Erhalt der Wein- gartenwirtschaft verbleiben, ebenso einige Wiesen und Weiden zur Fütterung des Viehs. 1743 besaß das Spital nur mehr acht Weingärten und drei Wälder, der Erlös der verkauften Realitäten und Stiftungen kam hingegen dem Bürgerspitalfonds zugute. Die 1718 durch eysstoss stark in Mitleidenschaft gezogene Schiffsmühle fand keine Erwähnung mehr23. Der Vermögensstand wurde zusätzlich durch Einzelstiftungen wohlhabender Bürger, Strafgelder und die geringen Erträge des Opferstocks an der Mauer des Hauses erhöht24. Die Abkehr vom naturalwirtschaftlichen System vollzog die Milde-Stiftungshofkommission endgültig 1754 und ließ den Bewohnern nur mehr ein Kostgeld austeilen, das mindestens vier Dezen- nien nicht erhöht und kärgliche fünf Kreuzer betrug25. Immerhin dürfte zumindest jeder Bewohner sein eigenes Bett besessen haben, nicht unbedingt eine Selbstverständlichkeit in ländlichen Hospitälern26. Der Hospitalmeister hatte trotz der Aufgabe der Gemeinschafts- küche jedoch noch in den 1780er Jahren darauf zu achten, daß die spitalspersonen so viel möglich alle insgesamt zu gewissen und gleichen stunden das mittag- und nachtmahl einnehmen, den kranken aber, so aus schwachheit nicht aus dem beth können, ihre speisen zugetragen und gereichet werden (Punkt 8 der Ordnung). Das von den Gesunden und Kranken im Idealfall schweigend verzehrte Essen war selbstverständlich mit der Pflicht des gemeinsamen Gebets für die Stifter, aber im 18. Jahrhundert auch bereits für das Kaiserhaus strikt verbunden27. 20 Uebersicht 82. 21 Weinberger, Armenversorgung 79f.; Weiss, Hund 180; Dirnberger, Stadt Radkersburg 167. 22 Watzka, Arme, Kranke, Verrückte 58. 23 ADGS, PfA Radkersburg, Sch. 29, H. 220, Dekanat Radkersburg an Statthalter Johann Christoph Graf Wildenstain, 1718 Juni 2. 24 Weinberger, Armenversorgung 36–39, 43f., 52f.; Dirnberger, Stadt Radkersburg 155, 165. 25 Dirnberger, Stadt Radkersburg 167; Uebersicht 82; Watzka, Arme, Kranke, Verrückte 75. 26 Watzka, Arme, Kranke, Verrückte 89. 27 StLA, RuK, Sach 127 I, K. 400, fol. 167r–169v, Bericht des Spitalmeisters von Radkersburg, Joseph Neubauer, 1754 September 26 (Frage 10); Scheutz–Weiss, Spitalordnung 331; Weiss, Hund 229.
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Spital als Lebensform Österreichische Spitalordnungen und Spitalinstruktionen der Neuzeit, Band 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Spital als Lebensform
Untertitel
Österreichische Spitalordnungen und Spitalinstruktionen der Neuzeit
Band
1
Autoren
Martin Scheutz
Alfred Stefan Weiß
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2015
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-79639-8
Abmessungen
17.5 x 24.7 cm
Seiten
432
Kategorie
Medizin
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