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VI.14 Steiermark, Seckau – Klosterspital (Kommentar Nr. 72) 217
VI.14 Steiermark, Seckau – Klosterspital (Kommentar Nr. 72)
Zum Zeitpunkt der Aufhebung des Domstiftes Seckau am 13. Mai 17821 unter Kaiser Jo-
seph II. zählte der Markt 80 Häuser, in dessen Nähe sich ein Staatseisenhammerwerk und
ein Staatskupferbergwerk befanden2. Das vom Stift finanzierte Spital konnte dabei auf
eine jahrhundertelange Geschichte zurückblicken3. Am 19. März 1197 ließ Erzbischof
Adalbert III. von Salzburg eine Kapelle des hl. Jakob in hospitale pauperum (Armenhospiz)
durch den Passauer Bischof Wolfger von Ellenbrechtskirchen (1191–1204) konsekrieren.
Diese Kapelle, auch als „Leutekirche“ bezeichnet, wurde später Pfarrkirche, 1782 jedoch
geschleift und die Domkirche nunmehr zur Pfarrkirche umgewidmet. Danach schweigen
die Quellen über die Existenz einer Einrichtung für Arme und Kranke für lange Zeit.
Gesichert ist lediglich, dass der Seckauer Kunstmäzen und Dompropst Johannes Dürn-
berger (1480–1510)4 aus dem Vermögen des aufgehobenen Chorfrauenklosters ein neues
Hospital für Kranke einrichten ließ, das am 5. August 1501 eingeweiht werden konnte5.
Im Rahmen der „Spitälererhebung“ der Jahre 1728/29 trug Dompropst Paulus Franciscus
Poiz auch kaum zur Erhellung der Geschichte der Einrichtung bei, da er die Fragen der
Landessicherheitshofkommission hinsichtlich Gründungszeit, Stiftungszweck, Kapitalien,
Insassenzahl gänzlich unbeantwortet ließ und lediglich darauf hinwies, dass das Hospi-
tal im Markt Seckau „ohne alle dahin obhabender obligation von Unß [dem Domstift
Seckau] pure gratuito unterhalten“ werde6. Im Gegensatz zum Stift Göß, wo ebenfalls
verarmte stiftts- und mayrleith bis zu ihrem Lebensende versorgt wurden, ersparte er sich
jedoch den unglaubwürdigen, allerdings durchaus zeittypischen Verweis, dass die Notlei-
denden mit erspar- und abkürzung unsers eigenen stuck-brods ernährt wurden7.
Die Statuten dieser Einrichtung, welche der Nachwelt in Form einer 60,5 cm x 45,5
cm großen Holztafel aus der Zeit um 1750 erhalten sind, die vermutlich im Wohn- und
Aufenthaltsraum der Insassen hing, erlauben einen „schmalen“ Einblick in die Lebenswelt
des einstigen Armenspitals8. Eine Erneuerung der Ordnung (Edition Nr. 72, S. 710–
713), die sprachgeschichtlich in die zweite Hälfte des 17. Jahrhunderts zu datieren ist,
wurde aus der Sicht des Abtes und der Mönche notwendig, da im Spital ein grosße un-
ordnung, da nichts anders alß zanckhen und greinen (wöliches wüder Gott und solches hauß
ist) […] vermörckht und befunden worden [war]9. Mit acht Punkten (gesaz oder gebührliche
ordnung) versuchte die Geistlichkeit, den Lebensalltag der Spitaler normativ genauestens
zu regeln. Geweckt wurde mittels einer Glocke um fünf Uhr morgens, danach hatten sich
die Insassen – die Kranken ausgenommen – im Sommer in der Kapelle und im Winter
in der Stube zum ersten Gebet des Tages zu versammeln. Wer nicht durch dringende
Arbeiten abgehalten wurde – Arbeit erachtete man dabei als Notwendigkeit und (noch)
1 Roth, Seckau 355.
2 Kindermann, Repertorium 540f.
3 Valentinitsch, Armenfürsorge 98.
4 Zur Person und seinen Leistungen Roth, Dompropst Dürnberger; ders., Seckau 476–478.
5 Roth, Seckauer Spital 7f.; ders., Seckau 159; Wichner, Heilwesen 70; Weiss, Hund 186f.
6 Zit. nach Watzka, Arme, Kranke, Verrückte 62 ohne genaue Quellenangabe.
7 StLA, RuK, Sach 127 I, K. 400, fol. 418r–421v, Berichterstattung der Äbtissin des Stiftes Göß, 1754
Oktober; Weiss, Hund 187.
8 Wichner, Heilwesen 71–73.
9 Vorrede zur Ordnung für das Stiftsspital in Seckau; StLA, Sammlung gerahmte Bilder, Seckauer
Spitalsordnung, Seckau sine dato [ca. Mitte des 18. Jahrhunderts]; Wichner, Heilwesen 71.
Spital als Lebensform
Österreichische Spitalordnungen und Spitalinstruktionen der Neuzeit, Band 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Spital als Lebensform
- Untertitel
- Österreichische Spitalordnungen und Spitalinstruktionen der Neuzeit
- Band
- 1
- Autoren
- Martin Scheutz
- Alfred Stefan Weiß
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79639-8
- Abmessungen
- 17.5 x 24.7 cm
- Seiten
- 432
- Kategorie
- Medizin