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VI.15 Steiermark: Sauerbrunn – Herrschaftsspital (Kommentar Nr. 73) 221
VI.15 Steiermark: Sauerbrunn – Herrschaftsspital (Kommentar Nr. 73)
Vermutlich seit der Mitte des 13. Jahrhunderts bestand in Pöls ein Siechenhaus, denn im
Jahr 1259 wurde der bayerische Ritter Konrad von Wasserburg in ein Leprosen
hospiz bei
Offenburg in der Steiermark verbannt. Seit dem 16. Jahrhundert ist dieses Spital oder
diese Siecheneinrichtung auf jeden Fall nachweisbar, von der es heißt, dass sie vor lan-
ger Zeit auf der „Tratte“ (heute Marktplatz) erbaut und zu der Kirche gestiftet worden
war. Allerdings ließ die Herrschaft Reifenstein im Jahr 1617 diese wohltätige Anstalt auf
und verwendete das Gebäude anschließend als Gerichtsdienerhaus1. Wie Carlos Watzka
meint, war jedoch diese Einrichtung, die eventuell auch aus gegenreformatorischen Grün-
den aufgegeben wurde, entbehrlich, da sie in der „1612 eingerichteten, großzügig ge-
planten Privatstiftung im nahegelegenen Sauerbrunn ein funktionales Äquivalent fand,
weshalb eine Neugründung nicht mehr dringlich war“2.
Schloss Sauerbrunn wurde Mitte des 16. Jahrhunderts (ca. 1547–1552) vom bedeu-
tenden Kriegsherrn und Verordneten der steirischen Landschaft, Franz von Teuffenbach
(1516–1578), später überdies Kriegsrat Erzherzog Karls II., im Renaissancestil erbaut.
Ein Gemälde, das ursprünglich im großen Eckzimmer des Schlosses hing (nunmehr Uni-
versalmuseum Joanneum) zeigt den Freiherrn in voller Gestalt mit Dolch und Degen im
Alter von 31 Jahren (1547). Im frühen 17. Jahrhundert (nach 1612) wurde unter der
Bildaufschrift eine kurze Lebensbeschreibung nachgetragen, die ihn überdies als Stifter
des Spitals bezeichnet. Nach seinem Tod am 22. Jänner 1578 bestattete man Franz von
Teuffenbach in der Pfarrkirche von Pöls. Elf Jahre zuvor hatte er für den Fall, dass seine
Familie im Mannesstamm aussterben sollte, testamentarisch verfügt, dass sein Wohn-,
Grund- und Untertanenbesitz zu einem Armenspital gewidmet werden sollte. Nach dem
Tod seiner beiden Söhn Offo und Karl 1612 trat dieser Anlassfall ein und es wurde das
Testament des Vaters nunmehr wirksam. Mit dem Schloss war eine Meierei und Herr-
schaft verbunden, deren Erträge für eine langfristige Versorgung der Armen hinreichten3.
Zunächst wohnten 18 Arme beengt in einem Raum zusammen, 1684 waren es bereits
24, 1719 immerhin 31 Frauen und Männer4. Sauerbrunn besaß anfänglich keine eigene
Kapelle und der Weg zur Pfarrkirche in Pöls, der ca. 30 Minuten in Anspruch nahm und
bergaufwärts ging, war für viele nicht zu bewältigen. Aus diesem Grund ersuchte Spitalin-
spektor Hans Adam Graf Saurau 1684 beim Bischof vom Seckau um die Erlaubnis, einen
Gottesraum im Schloss einrichten zu dürfen. Unter Mitarbeit der Spitalinsassen wurde
eine Kapelle gebaut und der Unbefleckten Empfängnis geweiht5.
Im neugeschaffenen Spital dürften sowohl Waisenkinder, Behinderte, Kranke, Ge-
brechliche und alte Menschen zusammengelebt haben6. Sogar Bauern stifteten einen Teil
ihrer Ersparnisse und kauften sich nach der Hofübergabe in das Schloss Sauerbrunn ein,
obwohl man damit von der eigentlichen Stifterintention der unentgeltlichen Armen- und
1 Brunner, Armut 254; Ders., Pöls 106f., 383f.; Brunner, Bezirkslexikon 182.
2 Watzka, Arme, Kranke, Verrückte 21, 25, Zitat 25.
3 Brunner, Pöls 210f., 107; Ders., Armut 255; Brunner, Bezirkslexikon 240; Andritsch, Armen-
fürsorge 35; Wichner, Heilwesen 70; StLA, Weltliche Stiftungsakten 83, Teil 2, K. 302, fol. 880r–886v, Extrakt
des Testaments des Freiherrn Franz von Teuffenbach, 1567 November 20.
4 Zu den Belegzahlen Watzka, Arme, Kranke, Verrückte 33.
5 Brunner, Pöls 211.
6 Lediglich Valentinitsch, Armenfürsorge 102, spricht von einem geforderten Mindestalter von 40
Jahren für die Aufnahme von Pfründnern, das sich in der Literatur nicht weiter belegen lässt.
Spital als Lebensform
Österreichische Spitalordnungen und Spitalinstruktionen der Neuzeit, Band 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Spital als Lebensform
- Untertitel
- Österreichische Spitalordnungen und Spitalinstruktionen der Neuzeit
- Band
- 1
- Autoren
- Martin Scheutz
- Alfred Stefan Weiß
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79639-8
- Abmessungen
- 17.5 x 24.7 cm
- Seiten
- 432
- Kategorie
- Medizin